Hunderttausende beteiligen sich an Militärmanöver zur Probe des Verteidigungsfalls. Westliche Medien berichten tendenziös.
Nach dem zweiten »Tag der Nationalen Verteidigung« wurde in Kuba am Sonntag die strategische Übung »Bastión 2016« beendet. Im Rahmen dieser Übung zur Sicherung des Landes gegen mögliche Angriffe hatten vom 16. November an zunächst dreitägige Manöver der regulären Land-, Luft- und Seestreitkräfte der »Fuerzas Armadas Revolucionarias« (FAR) stattgefunden. Zum Abschluss und als Höhepunkt wurden dann – an den »Tagen der Nationalen Verteidigung« – auch Hunderttausende Angehörige der Milizen und Zivilisten mobilisiert.
Präsident Raúl Castro hatte zu Beginn der Manöver deren defensiven Charakter unterstrichen. »Die Übungen«, sagte Castro am Mittwoch in einer von den Medien verbreiteten Ansprache, sollten in erster Linie dazu dienen, »einen Krieg zu verhindern«. Damit, führte er aus, werde niemand bedroht noch militärische Stärke demonstriert. Das wesentliche Ziel bestünde darin, Truppen und Bevölkerung darauf vorzubereiten, sich jedweder feindlichen Aktion entgegenzustellen. Der Staats- und Regierungschef wies darauf hin, dass die militärische Verteidigung nicht von der Kampagne »Kuba gehört uns« zu trennen sei, mit der sich das Land gegen die von den USA über Kuba verhängte Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade wehre. Die Übung »Bastión 2016« sei ein Ausdruck der kubanischen Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin des allgemeinen Volkskrieges, die auch unter der Bezeichnung »Krieg des gesamten Volkes« (Guerra de todo el pueblo) bekannt geworden ist.
Das Konzept dafür war zu Beginn der 1980er Jahre auf Anweisung des damaligen Präsidenten Fidel Castro und des damaligen Verteidigungsministers Raúl Castro entwickelt worden. Sie reagierten damit auf die erneute Zunahme von Feindseligkeiten der USA gegenüber Kuba. Als »Ausdruck der Wachsamkeit« fand 1980 das erste landesweite Großmanöver mit dem Namen »Bastión« (Bollwerk) statt. Nach Amtsantritt von US-Präsident Ronald Reagan (1981) spekulierten Militärs und Geheimdienste in den USA – zum ersten Mal seit der Raketenkrise des Jahres 1962 – dann wieder offen über eine Invasion der Insel. Der damalige stellvertretende Verteidigungsminister Ulises Rosales del Toro räumte ein: »In einem konventionellen Krieg mit direkter Konfrontation der Streitkräfte würde uns der Gegner zahlenmäßig und technologisch haushoch überlegen sein.« Als Alternative entwickelten die Kubaner das Konzept des allgemeinen Volkskrieges, das auf drei Säulen der Verteidigung beruht. Neben den regulären Truppen der FAR und den ihnen zugeordneten Milizen wurden landesweit rund 60.000 Produktions- und Verteidigungsbrigaden (Brigadas de Producción y Defensa) aufgebaut., denen Millionen Freiwillige angehören. Das in 1.400 »Verteidigungszonen« aufgeteilte Land verfügt heute über ein flächendeckendes System von tunneln und unterirdischen Verstecken, die als Schutzräume sowie als Lager für Waffen, Lebensmittel und Medikamente dienen.
Das Verteidigungskonzept des Landes und die Übung »Bastión 2016«, die mittlerweile das siebte Großmanöver dieser Art war, entsprächen dem »Geist des Widerstandes und des Rebellentums«, mit dem das kubanische Volk »von den Unabhängigkeitskriegen des 19. Jahrhunderts an« für seine Souveränität gekämpft habe, sagte Raúl Castro am Mittwoch.
Obwohl Raúl Castro de Übung »Bastión 2016« bereits am 16. April zur Eröffnung des VII. Parteitages erstmals angekündigt hatte, nutzten internationale Medienkonzerne sie für eine verfälschende Berichterstattung über Kuba. »Nach Trumps Triumph organisiert Kuba Militärmanöver«, titelte etwas die größte argentinische Tageszeitung Clarín am 9. November. Mit gleicher Tendenz berichteten die rechtsgerichteten Blätter El País (Spanien) und Nuevo Herald (Miami). Und der zu RTL gehörende deutschsprachige Fernsehsender N-TV meldete am 16. November: »Schon die Ankündigung war symbolisch gewählt: Es war der Tag nach der Wahl in den USA. Nun beginnt in Kuba das Manöver >Bastión 2016<«. Dass die Ankündigung der Übung tatsächlich bereits sieben Monate zuvor erfolgt war, erfuhren die Zuschauer nicht.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
Junge Welt, 22.11.2016