US-Präsident Barack Obama soll die wegen Spionage für Kuba inhaftierte Ana Belén Montes freilassen.
Ana Belén Montes, von US-Medien oft als »puertoricanische Spionin für Kuba« bezeichnet, vollendete vor rund vier Wochen das fünfzehnte Jahr ihrer Haft. Während in Lateinamerika, Kanada, den Vereinigten Staaten und Europa seit Monaten eine internationale Menschenrechtsbewegung wächst, die für diese »Gefangene aus Gewissengründen« die sofortige Freilassung fordert, wurde bekannt, dass sie ernsthaft erkrankt ist. Wie Karen Lee Wald, US-Autorin und langjährige Aktivistin der Kuba-Solidarität, junge Welt mitteilte, hat sie gerade die erschütternde Nachricht von Beléns Cousine Miriam Montes aus Puerto Rico erhalten, dass bei der in Texas Inhaftierten Brustkrebs festgestellt wurde. Sie stehe unmittelbar vor einer Operation mit anschließender Chemotherapie, habe Belén ihrer Cousine geschrieben und sie autorisiert, dies der Öffentlichkeit mitzuteilen.
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In einer Botschaft an die Solidaritätsbewegung schrieb Montes, jeder könne sich vorstellen, welch harten Überlebenskampf Ana nun in der feindlichen Umgebung des Gefängnisses führen müsse, ohne direkten Kontakt zu den Menschen zu haben, die sie lieben und ihr nahestehen. Zudem sei noch unklar, wie weit fortgeschritten die Krankheit ihrer Cousine ist. Es gebe ihr jedoch Kraft, dass sie »von so vielen Menschen in aller Welt solidarisch und liebevoll unterstützt« werde, gab Montes die Worte ihrer Cousine weiter. Sie werde »nicht aufgeben, sondern kämpfen und überleben«.
Die 1957 in Nürnberg als Tochter puertoricanischer Militärangehöriger geborene und in den USA ausgebildete Ana Belén war 2001 in Washington von der Bundespolizei FBI unter dem Vorwurf verhaftet worden, als leitende Analystin des US-Militärgeheimdienstes Defense Intelligence Agency (DIA) 16 Jahre lang Daten über antikubanische Destabilisierungsstrategien an Havanna weitergeleitet zu haben. Die Festnahme erfolgte zehn Tage nach dem 11. September. In der aufgeheizten Stimmung nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York City und das Pentagon in Washington bauschte die US-Administration in den Medien Beléns Handeln als Whistleblowerin zur feindseligen Spionagetätigkeit auf, die der nationalen Sicherheit der USA großen Schaden zugefügt habe. Im Oktober 2002 wurde sie von einem US-Bundesgericht wegen »Verschwörung zur Spionage für Kuba« zu einer 25jährigen Haftstrafe verurteilt. Der Todesstrafe entging die heute 59jährige nur, weil sie der Staatsanwaltschaft Angaben über die enthüllten Dokumente machte und sich vor Gericht schuldig bekannte. Tatsächlich »verschworen« hatte sich Belén indes nur ihrem eigenen Gewissen. Wie sie vor Gericht mutig erklärte, hatte ihr erst der tiefe Einblick in geheime Pläne und Machenschaften Washingtons gegenüber Kuba die Augen geöffnet, wie »grausam und unfair und zutiefst unnachbarschaftlich« die US-Regierung gegen das kleine Land vorging. Washington habe im revolutionären Kuba einen Feind gesehen, obwohl seine Bevölkerung und Regierung nur ihren unabhängigen Weg zum Sozialismus verteidigten. Aus diesem Grund habe sie sich moralisch in der Pflicht gesehen, so Belén, »der Insel zu helfen, sich gegen unser Bestreben zu verteidigen, ihr unsere Werte und unser politisches System aufzuoktroyieren«.
Wie Montes in ihrer Botschaft an die Unterstützer weiter schreibt, gebe es durch die Erkrankung ihrer Cousine »jetzt mehr denn je humanitäre Grunde dafür, eine Person freizulassen, die die Prinzipien von Gleichheit und Freiheit mehr liebt als das eigene Leben«. Die Geschichte habe Ana genauso recht gegeben wie »den Freiheitskämpfern Mahatma Gandhi, Martin Luther King und Nelson Mandela«. Die Prinzipien, die ihr Handeln bestimmten, gehörten »zum Besten der menschlichen Natur« und seien unsterblich. Diesen Aussagen schlossen sich mittlerweile viele Gruppierungen und Persönlichkeiten der Solidaritätsbewegung in Puerto Rico, Kuba und den USA an. Sie riefen dazu auf, die dramatische Situation Beléns an die Öffentlichkeit zu bringen. So werden am heutigen Freitag und morgigen Samstag in Puerto Rico Dichter und Autoren öffentlich für die Freilassung von Ana Belén und von Oscar López Rivera, einem 1981 zu 70 Jahren Haft verurteilten Kämpfer für die Unabhängigkeit Puerto Ricos, demonstrieren.
Bei allen Veranstaltungen und Kundgebungen soll US-Präsident Barack Obama »mit Nachdruck« dazu aufgefordert werden, die kranke Gefangene zu begnadigen und ihr eine medizinische Behandlung außerhalb des Gefängnisses zu ermöglichen. Der Appell richtet sich vor allem deshalb an Obama, weil unter seiner Regierung ein Anfang gemacht wurde, die gegenüber Kuba seit Jahrzehnten auf Konfrontation geschalteten Beziehungen zu normalisieren, und er kurz vor dem Ende seiner Amtszeit mit ihrer Begnadigung ein weiteres Zeichen in dieser Richtung setzen könnte. Nichts anderes hatte Belén im Sinn, als sie sich ganz persönlich dafür einsetzte, Kubas Position gegenüber der Großmacht im Norden durch Weitergabe von Daten zu verbessern. Ihr »größter Wunsch« sei es gewesen, so Belén vor Gericht, »dass sich freundschaftliche Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Kuba entwickeln«.
Veröffentlichung |
Jürgen Heiser
Junge Welt, 21.10.2016