Brüssel beendet Blockade

EU-Kommission billigt Kooperationsabkommen mit Kuba und hebt »Gemeinsamen Standpunkt« gegen die Insel auf.

Die EU-Kommission hat die letzten Hürden für eine Rahmenvereinbarung mit Kuba beseitigt. Das Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit soll innerhalb der nächsten Monate in Brüssel unterzeichnet werden, heißt es in einer am Donnerstag abend veröffentlichten Mitteilung der Kommission. Zugleich sei auf Vorschlag der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini der »Gemeinsame Standpunkt« der EU zu Kuba aus dem Jahr 1996 aufgehoben worden. Mogherini informierte den kubanischen Außenminister Bruno Rodríguez am Rande der UN-Generalversammlung in New York über die Entscheidung und lud ihn zur feierlichen Unterzeichnung der Dokumente nach Brüssel ein. Die bevorstehende Unterzeichnung des Vertrages ist das Finale mehrerer Verhandlungsrunden, die im April 2014 in Havanna aufgenommen worden waren und abwechselnd in der kubanischen und der belgischen Hauptstadt stattfanden. Scheitern könnte das Abkommen nur noch durch einen Einspruch aus dem Rat, der Versammlung der Fachminister aus den EU-Staaten.

Das Abkommen mit Kuba markiere einen Wendepunkt, betonte die EU-Chefdiplomatin. Für Kuba entscheidend ist, dass das Abkommen den »Gemeinsamen Standpunkt« ersetzt. Dieser war vor 20 Jahren auf Druck des rechtskonservativen spanischen Ministerpräsidenten José María Aznar beschlossen worden und erklärte einen Systemwechsel auf der sozialistischen Karibikinsel zur Bedingung für normale Beziehungen. Das belastete bis jetzt das Verhältnis zwischen Brüssel und Havanna, obwohl viele EU-Mitgliedsstaaten längst bilaterale Verträge mit Kuba unterzeichnet haben. Die Bundesrepublik Deutschland gehörte innerhalb der EU zu den Ländern, die eine Normalisierung der Beziehungen lange blockiert haben.

Vom Systemwechsel ist in dem neuen Dokument zwar keine Rede mehr, doch ganz wollen die Europäer nicht auf Dominanz gegenüber Kuba verzichten. Der Vertrag biete »einen Rahmen für die Unterstützung des Wandlungsprozesses in Kuba«, heißt es in der Presseerklärung der Kommission. An anderer Stelle ist von einer Förderung von »Demokratie und Menschenrechten« die Rede, wobei Brüssel vermutlich nicht den eigenen Kontinent, sondern ausschließlich Kuba meint. In Havanna nimmt man solche Rückfälle in koloniale Attitüden jedoch hin und wertet den Rahmenvertrag als Erfolg. Kubas stellvertretender Außenminister Abelardo Moreno Fernández hatte schon im März nach der letzten Verhandlungsrunde in Havanna darauf hingewiesen, dass in der Präambel des Abkommens ausdrücklich »das Recht der Völker zur freien Entscheidung über ihr politisches, wirtschaftliches und soziales System« bestätigt werde. Die EU und Kuba verpflichteten sich, die unterschiedlichen Systeme gegenseitig zu respektieren, sich nicht in die inneren Angelegenheiten einzumischen und jegliche Aktivitäten gegen die Gebote der Verfassung der Vertragspartner zu unterlassen, so Moreno. Beim Thema Menschenrechte habe man sich auf eine Formulierung geeinigt, nach der diese in ihrer Gesamtheit respektiert und verteidigt werden müssten. Das schließe sowohl die bürgerlichen und politischen als auch die von Kuba als entscheidend erachteten sozialen Menschenrechte wie Arbeitsbedingungen, soziale Gerechtigkeit, Gleichberechtigung, Verbraucherschutz sowie das Recht aller Bürger auf Erziehung, Gesundheitsversorgung und Teilhabe am kulturellen Leben ein. Bei diesen gibt es vor allem in Europa noch großen Nachholbedarf.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Volker Hermsdorf
Junge Welt, 24.09.2016