Shinzo Abe plant Staatsbesuch in Kuba. Gespräche über Wirtschaftsbeziehungen und Nordkorea.
Japans Premierminister Shinzo Abe plant für die nächste Woche einen Besuch in Kuba. Es wird die erste Visite eines japanischen Regierungschefs in dem sozialistischen Inselstaat sein. Bei den Gesprächen mit kubanischen Regierungsvertretern soll es laut Medienberichten um eine Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Havanna und Tokio gehen. Zudem erhofft sich Japan kubanische Unterstützung bei der Lösung des Konflikts mit Nordkorea.
Abe gilt als enger Verbündeter der USA und sein Besuch der Karibikinsel steht im Zusammenhang mit dem im Dezember 2014 eingeleiteten Entspannungsprozess zwischen Havanna und Washington. Japanische Unternehmen befürchten, gegenüber US-Konkurrenten im Nachteil zu sein, wenn die Wirtschaftsblockade gegen Kuba bald aufgehoben wird – zumal seit Ende 2014 mehr als 100 Wirtschaftsdelegationen aus Washington auf der Insel waren.
Ein gutes Investitionsklima zu schaffen, dürfte auch der Hintergrund für Abes Entscheidung sein, Kuba den größten Teil seiner Schulden zu erlassen. Der Premier erklärte laut Nachrichtenagentur Kyodo letzte Woche, dass Havanna zwei Drittel seiner sich auf insgesamt 1,75 Milliarden Dollar belaufenden Verpflichtungen gegenüber Tokio nicht zurückzahlen müsse. Abe wolle seine Absicht in einem Gespräch mit dem kubanischen Präsidenten Rául Castro offiziell machen. Laut eines Berichts der Japan Times vom 13. September planen beide Länder zudem den Bau eines Ausbildungszentrums für Ärzte in Kuba, in dem technische Ausstattung aus Japan zum Einsatz kommen soll.
Abes Besuch wird kurz nach oder kurz vor einer Visite des chinesischen Ministerpräsidenten erfolgen. Li Keqiang will am kommenden Sonntag zu einer bis zum 28. September dauernden Auslandsreise aufbrechen, auf der er neben Kuba auch die UN-Generalversammlung in New York sowie Kanada besuchen will. Wann genau er in Havanna weilen wird, hat das chinesische Außenministerium noch nicht bekannt gegeben. Auch gegenüber seinem größten wirtschaftlichen und politischen Rivalen in Ostasien, der mit Kuba traditionell enge Beziehungen unterhält, möchte sich Tokio in Havanna profilieren.
Ein weiteres Anliegen Shinzo Abes steht in direktem Zusammenhang mit politischen Rivalitäten in Ostasien: Wie Chefkabinettssekretär Yoshihide Suga auf einer Pressekonferenz am Mittwoch erklärte, erhofft sich Japans Premier Beistand für eine Lösung des Atomkonflikts mit Nordkorea. »Wir möchten Kubas Verständnis und seine Unterstützung für die Lösung der mit Nordkorea verbundenen Probleme gewinnen – bezüglich etwa der Entführungen (japanischer Staatsbürger durch nordkoreanische Agenten in den 1970er und 80er Jahren; M.S.), der Atomfrage und den Raketen«, erklärte Suga.
Welchen Einfluss Havanna in dieser Frage auf Pjöngjang ausüben kann und will, ist fraglich. Zwar unterhalten beide Länder seit 1960 diplomatische Beziehungen und betonen ihr gutes bilaterales Verhältnis. So hatte Raúl Castro im vergangenen Oktober eine persönliche Grußbotschaft zum Jahrestag der Gründung der in Nordkorea regierenden Partei der Arbeit geschickt. »Ich bekräftige euch unsere freundschaftlichen Gefühle und unsere Wüsche für neue Fortschritte beim Aufbau des Sozialismus«, zitierte das Infoportal cubadebate.cu in einem Beitrag vom 10. Oktober 2015 aus dem Schreiben. Auch kann davon ausgegangen werden, dass die kubanische Regierung nicht öffentlich Partei gegen Pjöngjang ergreifen wird.
Gleichwohl wird die Kritik an den fortgesetzten Atomwaffentests Pjöngjangs, die eindeutig gegen UN-Resolutionen verstoßen, auch seitens Chinas immer deutlicher. Dies könnte langfristig dazu beitragen, dass auch in Havanna die Bereitschaft sinkt, Nordkorea in außenpolitischen Konflikten zur Seite zu stehen.
Veröffentlichung |
Michael Streitberg
Junge Welt, 17.09.2016