Trotz Entspannungspolitik: Der Wirtschaftskrieg der USA gegen Kuba geht weiter. Washington vor UN-Abstimmung isoliert.
US-Präsident Barack Obama hat am Dienstag (Ortszeit) das »Gesetz über den Handel mit dem Feind« (Trading with the Enemy Act, TWEA) um ein weiteres Jahr verlängert. Diese im Jahr 1917 erlassene Verordnung gibt dem Präsidenten die Befugnis, jegliche Art des Handels, finanzielle Transaktionen und den Reiseverkehr mit Ländern zu untersagen, die als »feindlich« eingestuft werden. Das Gesetz, unter dessen Bestimmungen derzeit nur Kuba fällt, ist auch die juristische Grundlage für die seit dem 3. Februar 1962 gegen den Karibikstaat verhängte Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade. Seine Verlängerung ist allerdings auch eine Voraussetzung dafür, dass der Präsident einzelne Sanktionen aussetzen oder aufheben kann. Insgesamt kann die Blockade gegen Kuba nur durch den Kongress aufgehoben werden. Kubas Außenminister Bruno Rodríguez bezeichnete die US-Sanktionen am Freitag als »Haupthindernis für die nationale Entwicklung« seines Landes.
Am 26. Oktober stimmen die 193 Mitgliedsländer der Vereinten Nationen in der UN-Generalversammlung zum 25. Mal über den Antrag Kubas auf Beendigung der US-Blockade ab. Im vergangenen Jahr hatten 191 diese Forderung unterstützt, nur die USA selbst und Israel votierten dagegen. »Die Blockade fügt dem kubanischen Volk Schaden zu. Mängel und Entbehrungen bestimmen den kubanischen Alltag. Man darf ihre Auswirkungen auf Kuba nicht unterschätzen«, sagte Rodríguez am Freitag vor der Presse in Havanna bei der Vorstellung des diesjährigen Berichts über die Folgen der Sanktionen.
»Es gibt keinen Bereich in Kuba, der nicht unter den Folgen der Blockade leidet. Ihre Anwendung wirkt sich auf die Dienstleistungen, den Gesundheits- und Bildungsbereich, die Wirtschaft, die Preise, die Löhne, die Ernährung und die soziale Sicherung aus«, erklärte Rodríguez. Materiell habe der Kuba zugefügte Schaden allein im Zeitraum von April 2015 bis März 2016 rund 4,7 Milliarden US-Dollar betragen. In den knapp 60 Jahren ihres Bestehens habe die US-Blockade die Insel rund 754 Milliarden Dollar gekostet. »Um wie vieles besser wäre die Lage unserer Wirtschaft ohne diese Beeinträchtigungen«, gab Rodríguez den internationalen Medienvertretern in Havanna zu bedenken.
In dem von ihm vorgelegten Bericht wird kritisiert, dass US-Präsident Barack Obama, obwohl dieser die Blockade selbst als »sinnlos« bezeichnet habe, seine Befugnisse nicht ausschöpfe, um einzelne Einschränkungen aufzuheben. So könne Obama zum Beispiel ohne Zustimmung des Kongresses die Politik der Verfolgung finanzieller Transaktionen fallen lassen, Exporte US-amerikanischer Produkte an kubanische Unternehmen sowie Importe kubanischer Produkte und Dienstleistungen in die USA zulassen, US-Bürgern Reisen und medizinische Behandlung in Kuba gestatten oder das Verbot für Schiffe aufheben, nach dem diese 180 Tage lang keinen US-Hafen anlaufen dürfen, wenn sie Güter nach Kuba befördert haben. Bisher habe Obama von den meisten seiner Möglichkeiten zur Milderung der Blockadefolgen keinen Gebrauch gemacht.
Kubas Vertreterin im Büro der Vereinten Nationen in der Schweiz, Anayansi Rodríguez, erklärte am Dienstag in Genf, die US-Blockade sei eine »systematische, massive und anhaltende Verletzung der Menschenrechte des kubanischen Volkes und der karibischen Nation«. Am gleichen Tag rief Kenia Serrano, die Präsidentin des Kubanischen Instituts für Völkerfreundschaft (ICAP), in Havanna zu weltweiten Aktionen gegen die US-Blockade am kommenden Sonnabend (17. September) auf. Sie erinnerte daran, dass der »Gipfel der Völker« im April 2015 am Rande des siebten Amerikagipfels in Panama beschlossen hatte, am 17. jedes Monats gegen die völkerrechtswidrige US-Politik gegenüber Kuba zu protestieren.
Die prokubanische Exilorganisation »Alianza Martiana« in Miami kündigte für Sonnabend bereits einen Autokorso an. Außenminister Rodríguez gab sich am letzten Freitag zuversichtlich, dass die internationale Staatengemeinschaft am 26. Oktober ein weiteres Mal Kubas Antrag auf Aufhebung aller Sanktionen annehmen werde. »Die Blockade gegen Kuba«, heißt es in dem von ihm präsentierten Dokument, »hätte es nie geben dürfen, und sie muss ein für allemal beendet werden.«
Dokument:
Bericht Kubas zur Blockade 2016
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
Junge Welt, 15.09.2016