USA fördern Migration aus Kuba. Auswanderer werden in die Hände von Schleuserbanden getrieben.
Neun Außenminister Lateinamerikas haben am Montag in einem gemeinsamen Brief an US-Außenminister John Kerry appelliert, die noch immer bestehenden Anreize und Privilegien für kubanische Migranten abzuschaffen. Das berichtete die Agentur AP am selben Tag. Bereits am 22. August hatte der Präsident Costa Ricas, Luis Guillermo Solis, bei einem Empfang im Weißen Haus gegenüber US-Präsident Barack Obama eine entsprechende Bitte geäußert. Das mittelamerikanische Land erneuert damit seine Forderung nach Abschaffung des »Cuban Adjustment Act«.
Dieses Gesetz sei die Hauptursache dafür, dass Tausende kubanische Migranten die lateinamerikanischen Länder als »Trampolin« benutzten, um in die USA zu gelangen, erklärte auch Costa Ricas Außenminister Manuel González der in Miami erscheinenden Tageszeitung Nuevo Herald zufolge am Wochenende. Costa Rica und die anderen Transitländer von Ecuador bis Mexiko müssten für die Konsequenzen eines Gesetzes aufkommen, das ein Produkt des Kalten Krieges sei und keine Daseinsberechtigung habe.
Der »Cuban Adjustment Act« war vom US-Kongress verabschiedet worden, um einen Massenexodus aus Kuba zu provozieren um das Land auszubluten. Das Gesetz gesteht kubanischen Bürgern – und nur diesen – auch bei illegaler einreise nach einem Jahr eine dauerhafte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis in den USA zu. Weil sie fürchten, dass Washington diese Privilegien bald streichen könne, haben Zigtausende Kubaner ihr Land verlassen, nachdem die Präsidenten Raúl Castro und Obama im Dezember 2014 eine Normalisierung der Beziehungen ankündigten. Das Kalkül der Migranten: Wer vorher noch den US-Pass erhält, kann auch nach Streichung des Gesetzes nach Belieben zwischen Kuba und den USA pendeln.
Kaut Nuevo Herald, der sich auf das Meinungsforschungsinstitut PEW Research Center beruft, sollen allein in den letzten zehm Monaten 46.500 Kubaner ohne gültiges Visum in den Vereinigten Staaten aufgenommen worden sein. Für 2015 nennt das PEW – der Zeitung zufolge – die Zahl von 43.000, während es 2014 rund 24.000 solcher Migranten gegeben haben soll.
Die meisten von ihnen haben ihr Ziel mit Hilfe krimineller Menschenhändlerorganisationen erreicht. Viele waren in den letzten Monaten jedoch auch in verschiedenen Ländern Lateinamerikas gestrandet, mussten dort untergebracht und versorgt werden. »Das hat uns Millionen Dollar gekostet, die wir nicht haben«, klagte Costa Ricas Außenminister González über die Auswirkungen auf sein Land.
Die Regierung Costa Ricas hatte in einem Brief an US-Präsident Barack Obama bereits im April dagegen protestiert, dass die USA die Auswanderung von Kubanern förderten und belohnten. Da die Migranten anderer lateinamerikanische Länder gleichzeitig verfolgt werden, ist die Stimmung in der Region aufgeheizt. González forderte Washington jetzt auf, »mehr zur Lösung der Migrationskrise beizutragen, als die betroffenen Länder zu einer härteren Anwendung ihrer Einwanderungsgesetze aufzufordern«. Dem Politiker zufolge hatte die US-Administration die lateinamerikanischen Staatschefs dazu gedrängt, die Sicherung ihrer Grenzen zu verstärken und Papiere nur noch für »legale Reisen« auszustellen. Aufgrund des Drucks aus den USA hätte Kolumbien damit begonnen, rund 1.200 gestrandete Kubaner abzuschieben, Panama habe rund 600 Migranten von der Insel – unter Androhung der Abschiebung – aufgefordert, das Land »freiwillig« zu verlassen. Und auch Mexiko habe kürzlich bereits 90 Kubaner wieder zurückgeschickt. Damit, so González, ließe sich die Krise jedoch nicht lösen.
Das kubanische Außenministerium machte in einer Erklärung vom 6. August das US-Gesetz aus dem Jahr 1966 zum wiederholten Mal dafür verantwortlich, dass Menschen »zu Opfern verbrecherischer Banden werden«. Havanna warf den USA vor, mit dem »Cuban Adjustment Act« die illegale und unsichere Migration in der Region zu stimulieren. Costa Rica, ansonsten ein treuer Verbündeter Washingtons, sieht das aus eigener Erfahrung mittlerweile genauso.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
Junge Welt, 31.08.2016