Nach mehr als einem halben Jahrhundert fliegen wieder Linienmaschinen aus den USA nach Kuba.
In der zentralkubanischen Stadt Santa Clara soll am Mittwoch nach 55 Jahren erstmals wieder ein Linienflugzeug aus den USA landen. Der Airbus A 320 der US-Airline Jet-Blue kommt mit 150 Passagieren an Bord aus Fort Lauderdale (Florida). Wie der stellvertretende kubanische Verkehrsminister Eduardo Rodríguez Dávila Ende vergangener Woche in Havanna ankündigte, werden damit regelmäßige Flugverbindungen zwischen beiden Ländern wieder aufgenommen. Nach dem am 16. Februar 2016 von Vertretern der USA und Kubas in Havanna unterzeichneten Luftverkehrsabkommen dürfen US-Gesellschaften künftig pro Tag 110 Flüge auf die Insel anbieten. Vorgesehen sind täglich 20 Verbindungen nach Havanna und jeweils zehn Flüge zu neun anderen Airports. Das Abkommen enthält auch eine grundsätzliche Genehmigung für die kubanische Fluggesellschaft Cubana de Aviación, Ziele in den USA ansteuern zu dürfen. Rodríguez erklärte jedoch, dass über die Konditionen noch verhandelt werde. Die weiter bestehenden US-Blockadebestimmungen gegen Kuba ermöglichen eine Beschlagnahmung kubanischen Eigentums in den USA und stellen damit für Havanna ein hohes Risiko dar.
Parallel mit der Verhängung der Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade hatte Washington vor 55 Jahren auch den Flugverkehr nach Kuba eingestellt. Knapp 15 Jahre lang hatte es überhaupt keine Flüge zwischen den beiden Ländern mehr gegeben. Ab 1977 wurden dann Charterverbindungen zugelassen, jedoch zunächst nur in geringerer Zahl und unter strikten Auflagen. Deren Anbieter nutzten das aus und verlangten von den Passagieren – meist in den USA lebende Kubaner und deren Familien – für den knapp halbstündigen Flug von Miami nach Havanna und zurück zwischen 400 und 500 Dollar. Jet-Blue kassiert für die Hin- und Rückreise am Mittwoch dagegen einschließlich Steuern und Gebühren 210 Dollar, das One-Way-Ticket ist bereits ab 99 Dollar zu haben. Da die Charterflüge auch weiterhin neben dem Linienverkehr angeboten werden können, dürften die Preise auf der Strecke demnächst kräftig fallen. Mit explodierenden Besucherzahlen ist trotzdem noch nicht zu rechnen.
Nach wie vor erlauben die USA ihren Bürgern nicht, die Insel als normale Touristen zu bereisen. Jet-Blue-Sprecherin Giselle Cortés räumte am Sonnabend auf einer Pressekonferenz in Havannas »Hotel Nacional« ein, dass ihr Unternehmen bei jedem Fluggast überprüfen müsse, ob die Sondergenehmigung der US-Regierung für einen Besuch in Kuba vorliege, die zum Beispiel für Bildungsreisen ausgestellt wird. Eine Normalisierung wäre nur möglich, wenn der US-Kongress die Blockade gegen den Inselstaat aufhebt. Tatsächlich wird diese derzeit jedoch wieder verschärft angewendet. Die Maßnahmen gegen Banken, Unternehmen und Bürger in Drittländern, die Geschäfte mit Kuba betreiben, nehmen dabei groteske Züge an. In der vergangenen Woche berichtete die Süddeutsche Zeitung, dass rund 100 Fans der Rolling Stones in Deutschland, die bei der Kinokette UCI Eintrittskarten für den Ende September nur einen Abend in ausgewählten Kinos präsentierten Film »Havana Moon« über den Auftritt der Band in Kuba bestellt und bezahlt hatten, Opfer der US-Blockade geworden sind. Der Bezahldienst Paypal hatte die bereits bestätigten Buchungen storniert und den Kunden ihr Geld zurücküberwiesen. Die Transaktion sei nicht zulässig, da sie gegen die US-Gesetze verstoßen habe, kommentierte eine Paypal-Sprecherin. In einem ähnlichen Fall hatte das Landgericht Dortmund dem Dienst kürzlich ein Strafgeld in Höhe von 250.000 Euro angedroht, da Paypal deutsches Recht verletze.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
Junge Welt, 29.08.2016