»Viele Jugendliche stehen treu zur Revolution«

Um Bewusstsein zu schärfen, setzt der kommunistische Jugendverband Kubas auf Offenheit. Ein Gespräch mit Elier Ramírez Cañedo.

An diesem Wochenende jährt sich erstmals die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Kuba und den USA. Ist das der Beginn einer neuen Epoche?

Wir haben es mit einer umfassenden taktischen Kurskorrektur der USA zu tun, ohne dass sich ihr strategisches Ziel geändert hätte. Der Kern des Konflikts reicht bis in das 19. Jahrhundert zurück, es geht um die Hegemonie der USA über Kuba. Wir sind so viele Schritte wie nie zuvor hin zu einem zivilisierten Umgang miteinander gegangen. Noch gibt es viele Hindernisse, so dass wir nicht von einer Normalisierung der Beziehungen sprechen können. In einigen Bereichen sind wir vorangekommen, etwa in der Diplomatie oder im Bereich der Kultur. Allerdings sind in Handel und Wirtschaft die Einschränkungen trotz erster Abkommen noch am größten.

Wie erleben die jungen Kubaner diese neuen Entwicklungen? Auf den Straßen Havannas kann man manchmal den Eindruck gewinnen, Poster von US-Popstars seien inzwischen wichtiger als die Politik.

So eine Frage kann man natürlich nie generalisierend beantworten. Es gibt eine Gruppe, die entpolitisiert ist und vom Schlimmsten der Yankee-Kultur beeinflusst wird. Es gibt aber auch sehr viele Jugendliche, die treu zur Revolution stehen und die ganz klar sehen, welche Absichten die USA verfolgen. Die jungen Künstler etwa, die sich der Asociación Hermanos Saíz angeschlossen haben, oder viele Studenten an den Universitäten verteidigen ganz entschieden unsere historischen Werte. Aber es gibt andere, bei denen die Manipulation und die Kampagnen der USA gegen Kuba verfangen haben.

Wie arbeitet der kommunistische Jugendverband mit diesen Jugendlichen?

Kuba ist heute ein offenes Land und wird in Zukunft noch offener werden. Es wäre vollkommen absurd, wenn wir glauben würden, dass wir durch Zensur irgendwas erreichen könnten. Wir müssen die Jugend zu kritisch denkenden Menschen erziehen, die selbst ihre Schlussfolgerungen ziehen und solche Manipulationen durchschauen können. Noch stärker müssen wir auch eine Kultur der Debatte und der Diskussionen schaffen, damit die Jugendlichen ein antiimperialistisches, antikolonialistisches Bewusstsein entwickeln. Den direkten Dialog mit den Jugendlichen wollen wir verstärken und mit ihnen in den Schulen und auf der Straße offen und ehrlich diskutieren.

Einerseits gibt es eine gewisse Entspannung zwischen den USA und Kuba. Andererseits verschärfen die Vereinigten Staaten ihr Vorgehen gegen andere Länder der Region, aktuell vor allem gegen Venezuela. Ist das kein Widerspruch?

Zumindest in der Rhetorik hat die Feindseligkeit der USA gegen Kuba abgenommen. Ihr bisheriger Umgang mit uns wurde für sie zu einem Hindernis. Deshalb versuchen sie, wie es in einem Dokument heißt, die Ablenkung durch Kuba zu beenden, um sich anderen Zielen widmen zu können.

Von besonderer Bedeutung für die USA ist die Bolivarische Revolu­tion in Venezuela. Schon wegen des großen Rohstoffreichtums dort, aber auch wegen der immensen Bedeutung des Landes für die Integration Lateinamerikas und der Karibik. Die USA hoffen auf einen Dominoeffekt: Wenn Venezuela fällt, fallen auch die anderen progressiven, linken Regierungen. Kuba wäre dann wieder alleine und hätte keine andere Möglichkeit, als sich den Wünschen der USA zu beugen.

Wie beeinträchtigt die Krise in Venezuela die Lage auf Kuba?

Venezuela ist der wichtigste Handelspartner Kubas, deshalb erschwert die Entwicklung dort auch die wirtschaftliche Situation bei uns. Allerdings verfolgt Kuba natürlich auch eine sehr gut durchdachte langfristige Strategie und baut seine Beziehungen mit vielen Ländern der Welt immer weiter aus. China ist inzwischen unser zweitwichtigster Partner, und es gibt immer engere Beziehungen mit Russland. Selbst im schlimmsten Fall würde es für Kuba also nicht bedeuten, dass wir wieder in eine Lage wie in den 90er Jahren geraten würden.

Die USA dachten, dass Kuba nun nicht mehr so scharf auf die Aggression gegen Venezuela reagieren würde. Aber unsere Haltung war und ist ganz eindeutig, wir stehen bis zur letzten Konsequenz an der Seite Venezuelas.

Elier Ramírez Cañedo ist ein kubanischer Historiker und Publizist. Er gehört dem Nationalkomitee des kommunistischen Jugendverbandes UJC und der Leitung der Asociación Hermanos Saíz an, die junge Schriftsteller und Künstler Kubas vereinigt.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Interview: André Scheer
Junge Welt, 02.07.2016