Vor fünf entscheidenden Jahren

In Kuba geht der VII. Parteitag der Kommunistischen Partei Kubas (PCC) zu Ende.

Der VII. Parteitag der Kommunistischen Partei Kubas (PCC) wurde am Dienstag mit der Wahl des Zentralkomitees beendet. Am Motto »Ohne Eile, aber auch ohne Pause« werden keine Abstriche gemacht.


Die Abstimmung war nach Redaktionsschluss, doch Zweifel gab es nicht: Raúl Castro wird von den knapp 1000 Delegierten an der Spitze der Kommunistischen Partei Kubas im neuen Zentralkomitee bestätigt werden. Damit bleibt die Führung von Staat und Partei in einer Hand.

Das Plenum hatte zuvor wie erwartet den Kurs der Partei- und Staatsführung einstimmig unterstützt. Demnach sollen die in den vergangenen Jahren angestoßenen marktwirtschaftlichen Reformen vertieft werden. Nach Worten von Staatschef Castro soll in den nächsten fünf Jahren zudem der Generationswechsel an der Spitze des Landes langsam vollzogen werden.

Der aktuelle Parteitag wird voraussichtlich der letzte sein, bei dem die historische Revolutionsgarde federführend mitwirkt. Raúl Castro hat bereits seinen Rücktritt als Staatschef für 2018 angekündigt. Die Mitglieder des neuen 114-köpfigen Zentralkomitees sollten noch am Dienstag (Ortszeit) bekannt gegeben werden.

Einen wichtigen Raum während des viertägigen Parteitages nahm die Debatte um Privatwirtschaft und Privateigentum ein. Die Existenz kleiner und mittlerer privater Unternehmen bedeute keine »Rückkehr des Kapitalismus«, hatte Staats- und Regierungschef Raúl Castro in seiner zweieinhalbstündigen Rede zum Auftakt des Parteitages betont. In klarer Anspielung auf die USA warnte Castro vor Versuchen »mächtiger auswärtiger Kräfte«, die auf eine »Stärkung« nicht-staatlicher Wirtschaftssektoren in Kuba setzten, mit dem Ziel, »Agenten eines Wandels« zu schaffen, um der Revolution und dem Sozialismus ein Ende zu setzen.

Der Besuch von US-Präsident Barack Obama vor wenigen Wochen in Havanna hatte einen Strategiewechsel aufgezeigt: Statt auf die traditionellen, isolierten und untereinander zerstrittenen Dissidentengruppen ohne reales Gewicht in Kubas Gesellschaft, setzen die USA künftig auf Kubas Kleinunternehmer als Motoren gesellschaftlicher Veränderung. Derzeit zählt die Karibikinsel rund 500 000 »Arbeiter auf eigene Rechnung«.

Dies stellt Kubas Regierung vor neue Herausforderungen. Denn einerseits gilt der Ausbau privatwirtschaftlicher Tätigkeiten auf kleiner und mittlerer Ebene als wichtiger Impulsgeber für Kubas wirtschaftliche Entwicklung; andererseits sitzt das Misstrauen gegenüber den USA tief. Das Ziel - Sturz der sozialistischen Ordnung - sei dasselbe wie eh und je, nur die Methoden hätten sich geändert, gilt in Kubas Regierungsapparat als vorherrschende Auffassung.

»Die Arbeit auf eigene Rechnung und private Kleinunternehmen sind nicht per se anti-sozialistisch, und die Mehrheit, der in dem Bereich Arbeitenden sind, Revolutionäre«, so Raúl Castro. Man werde aber keine Konzentration von Reichtum erlauben. Kubas Präsident machte in seiner Ansprache deutlich, dass der eingeschlagene Weg »ohne Eile, aber ohne Pause« fortgeführt werde. Die Privatisierung wichtiger Wirtschaftszweige sowie des Gesundheits- oder Bildungswesens werde es nicht geben.

Dem Parteitag wurde ein Konzept zur wirtschaftlichen Entwicklung bis 2030 vorgelegt, das von diesem diskutiert, aber nicht beschlossen wurde. Zuvor soll es Diskussionen auf allen Ebenen der Gesellschaft geben. Das Parlament könnte dann im kommenden Jahr den Entwicklungsplan verabschieden. Ziel sei es, einen langfristigen Plan für das Land zu entwerfen und improvisierte Lösungen hinter sich zu lassen. Als strategische Bereiche wurden die Energieversorgung, Lebensmittelproduktion und Tourismus ausgemacht. Neben Öl und Gas sollen der Bereich erneuerbarer Energien ausgebaut und die Energieeffizienz erhöht werden. Ziel sei die Selbstversorgung. Ähnliches gilt für die Produktion von Lebensmitteln, wo die Abhängigkeit von Importen verringert werden soll. Im Bereich Tourismus sollen bis 2030 108 000 neue Hotelbetten hinzukommen, um die steigende Nachfrage zu bedienen. Private Zimmervermietung behält eine wichtige ergänzende Funktion.

Der Parteikongress verabschiedete darüber hinaus eine Aktualisierung der wirtschaftlichen und sozialen Reformen, die in mehr als 300 Leitfäden zusammengefasst sind, wie staatliche kubanische Medien - ausländische Medienvertreter waren auf dem Parteitag nicht zugelassen - berichteten. Die Lineamentos waren auf dem vergangenen Parteitag vor fünf Jahren beschlossen worden.

Die »wichtigen Transformationen« sollten ihren Niederschlag in einer Verfassungsreform finden, wie Raúl Castro ankündigte. Am Einparteiensystem und der Führungsrolle der Kommunistischen Partei werde sich aber nichts ändern. »Wenn sie es schaffen, uns zu zersplittern wäre das der Anfang vom Ende der Revolution, des Sozialismus und der Unabhängigkeit«, warnte Raúl Castro in seiner Rede.

Neues Deutschalnd

Andreas Knobloch, Havanna
Neues Deutschland, 20.04.2016