Provokation vereitelt

USA weisen exilkubanischen Militanten aus. Von Contras geplante Protestaktion vor Havannas Küste fiel ins Wasser.

Die US-Regierung hat den Exilkubaner Ramón Saúl Sánchez Rizo Ende letzter Woche aufgefordert, »so schnell wie möglich« das Land zu verlassen, in dem er seit 49 Jahren lebt. Der Brief der Einwanderungsbehörde, verriet der militante Antikommunist am Freitag der in Miami erscheinenden Tageszeitung Nuevo Herald, habe ihn nur wenige Stunden vor dem für Sonnabend geplanten Aufbruch einer Bootsflottille nach Kuba erreicht. Dort hatte seine Gruppe Movimiento Democracia eine Provokation gegen den VII. Parteitag der Kommunistischen Partei Kubas (PCC) geplant.

Vor der Küste Havannas hätten seine Leute Feuerwerkskörper und Raketen zünden wollen, um für die »Freilassung der politischen Gefangenen« zu demonstrieren, sagte Sánchez, der in der Vergangenheit mit seinen Booten immer wieder illegal in kubanische Hoheitsgewässer eingedrungen war. Eine weitere geplante »Flottille« für die Zeit des Besuchs von US-Präsident Barack Obama in Kuba war im März an einem Auslaufverbot der Behörden von Florida gescheitert. Die ultrarechte Szene in dem Bundesstaat spricht nun von »politischem Druck« der Obama-Administration, die Sánchez am »Einsatz für die Demokratie in Kuba« hindern wolle.

Die Aufforderung, die USA zu verlassen, wurde offiziell mit Verstößen gegen die Einwanderungsgesetze begründet. Nuevo Herald zitierte am Freitag allerdings einen namentlich nicht genannten »Anwalt der Einwanderungsbehörde von Coral Gables« (Florida), der »fürchtet, dass die USA die Ausweisung einer Reihe vorbestrafter Kubaner vorantreiben, um die Beziehungen zur Regierung in Havanna zu verbessern«. Sánchez könnte einer davon sein – denn er verfügt über eine beachtliche kriminelle Biografie und ein umfangreiches Vorstrafenregister.

Drei Jahre nachdem er 1967 vom kubanischen Mantanzas in die USA ausgewandert war, hatte er sich bereits der militanten Organisation »Alpha 66« angeschlossen, die bewaffnete Gruppen in den kubanischen Escambray-Bergen unterstützte und Anschläge ausführte. Danach war Sánchez unter anderem als Vizechef der von der Bundespolizei als »terroristisch« eingestuften Gruppe CORU (Coordinadora de Organizaciones Revolucionarias Unidas) aktiv.

Diese von Orlando Bosch und Luis Posada Carriles gegründete Organisation hatt 1976 vor Barbados ein Bombenattentat auf ein kubanisches Verkehrsflugzeug verübt. Alle 73 Menschen an Bord starben. Sánchez versenkte zudem kubanische Fischerboote und beteiligte sich im Rahmen der »Operation Condor«, einer von den USA unterstützten antikommunistischen Geheimdienstoperation lateinamerikanischer Militärdiktaturen, auch an der Entführung von linken Aktivisten. Anfang der 1970er Jahre wurde er wegen Besitzes von Kriegswaffen verhaftet, erhielt aber lediglich eine einjährige Bewährungsstrafe.

1984 wurde Sánchez wegen Mitgliedschaft in der Terrorgruppe »Omega 7« zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, von US-Präsident Ronald Reagan aber vor Verbüßung seiner vollen Strafe begnadigt. Wegen einer Schießerei im Zusammenhang mit Protesten gegen William Clintons vermeintlichen Annäherungskurs gegenüber Kuba wurde er wenig später erneut verhaftet und stand auch in den Folgejahren als Stammkunde wiederholt vor Gericht.

In den 1990er Jahren suchte er sich neue Aufgaben. Während der Exilkubaner José Basulto aus ehemaligen Piloten die Organisation »Hermanos al Rescate« aufbaute, widmete Sánchez sich dem »Movimiento Democracia«, das erheute leitet. Beide teilten sich die Arbeit auf: Basultos Gruppe provozierte Kubas Militär durch systematische Luftraumverletzungen. Und das »Movimiento« verfolgte das gleiche Ziel mit der Organisation von »Flottillen«. Ein Erfolg wie Basulto, der mit dem provozierten Abschuss zweier seiner Flugzeuge eine Verschärfung der US-amerikanischen Wirtschaftsblockade und die Verschlechterung der Beziehungen zwischen Havanna und Washington erreichte, war Sánchez bis heute allerdings nicht vergönnt.

Der kubanisch-guatemaltekische Journalist Percy Francisco Alvarado Godoy fürchtet, dass die Konterrevolutionäre Nachahmer finden könnten. Godoy, der in den 1990er Jahren als Geheimagent der kubanischen Sicherheitsorgane Terrorgruppen in Miami ausgeforscht hatte, warnte in seinem Blog Descubriendo Verdades wiederholt vor Sánchez Aktivitäten und forderte die US-Behörden auf, seinem Treiben Einhalt zu gebieten.


Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Volker Hermsdorf
Junge Welt, 19.04.2016