Hinter verschlossenen Türen

Vor dem Parteitag gab es weniger Diskussionen als vor fünf Jahren. Daran wird Kritik geübt.

In Kuba und den kubanischen Medien ist kurz vor der Eröffnung des VII. Parteitags ein offener Disput über den Umgang mit den Materialien des Kongresses entbrannt. Während es vor fünf Jahren um grundsätzliche Richtungsentscheidungen über die als »Aktualisierung« bezeichneten Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft ging, steht diesmal die weitere Um- und Fortsetzung des 2011 beschlossenen Kurses im Mittelpunkt. Aus Sicht der Parteitagsregie ist eine in der gesamten Bevölkerung geführte Grundsatzdebatte wie vor dem VI. Parteitag deshalb nicht notwendig. Vor den Beschlüssen über die »Lineamentos« (Leitlinien), um deren weitere Entwicklung es in den nächsten Tagen geht, hatten sich zwischen November 2010 und April 2011 in mehr als 163.000 Veranstaltungen Millionen Bürger zu Wort gemeldet. Von den 313 letztlich beschlossenen Punkten waren 68 Prozent durch Interventionen der Bevölkerung und der Parteibasis verändert worden.

Kritiker, darunter auch prominente Parteimitglieder, hatten im Vorfeld des diesjährigen Kongresses einen ähnlich breit angelegen Diskussionsprozess gefordert. Der bekannte Soziologe und Essayist Esteban Morales etwa hält es nicht für ausreichend, dass die von den Delegierten zu beschließenden sechs Dokumente nur von einigen tausend Personen diskutiert wurden. »Die Basis hätte stärker einbezogen werden müssen«, meint der angesehene Wissenschaftler und Kommunist. Francisco Rodríguez Cruz, Redakteur der Gewerkschaftszeitung Trabajadores, machte seinem Unmut am 27. März sogar in einem offenen Brief an den Parteichef und Staatspräsidenten Raúl Castro Luft. Knapp drei Wochen vor dessen Eröffnung forderte Rodríguez, den Kongress auf Ende Juli zu verschieben. Für ausländische Medien, wie das von US-Diensten finanzierte und von Madrid aus betriebene Onlineportal Diario de Cuba, war das ein gefundenes Fressen, um den »antidemokratischen Charakter« der Kommunistischen Partei zu belegen. Die Granma, das offizielle Organ des Zentralkomitees, argumentierte allerdings genau anders herum. In einem ganzseitigen Leitartikel begrüßte die Parteizeitung am 28. März die »aus Sorge um die Arbeitsweise der Partei und den Kurs des Landes« geäußerte Kritik. Die öffentliche Auseinandersetzung sei Beleg für die Demokratie und die breite Beteiligung der Bevölkerung, die für den Sozialismus charakteristisch seien. Tatsächlich veröffentlichen die verschiedenen Medien des Landes täglich Beiträge zu den Themen des Parteitages von Delegierten, die ihre Erwartungen, Kritiken und Anforderungen äußern.


Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

(vh)
Junge Welt, 16.04.2016