Touris als Kopfgeldjäger

Die USA verbieten ihren Bürgern Urlaub in Kuba. Trotzdem sollen diese dort Menschen denunzieren.

Steckbrief

Steckbrief für die Reisetasche: US-Behörden schicken sich an, politische Gegner nun auch in Kuba zu verfolgen.
Foto: Screenshot/ njsp.org

US-Verfolgungsbehörden betrachten Kuba offenbar schon als Teil des Wilden Westens und machen Touristen zu illegalen Hilfssheriffs. Obwohl US-Bürger nach Washingtons Gesetzen keine touristischen Reisen nach Kuba unternehmen dürfen, forderte die Staatspolizei von New Jersey (NJSP) jetzt alle »US-Touristen« dazu auf, dort vier Menschen zu jagen, denen auf der sozialistischen Karibikinsel politisches Asyl gewährt wird. »Alarm« steht in Großbuchstaben über dem Aufruf zur Denunziation der Gesuchten in Washingtons Botschaft in Havanna. Dazu wird ein Steckbrief mit Fotos und Namen von zwei afroamerikanischen Aktivisten der Black-Power-Bewegung sowie zwei Kämpfern für die Unabhängigkeit der US-Kolonie Puerto Rico verbreitet. Auf Hinweise werden bis zu zwei Millionen US-Dollar ausgelobt. Da Kopfgeldjagd außer auf den Philippinen nur in den USA erlaubt und üblich ist, verstößt der Aufruf nicht nur gegen kubanisches, sondern auch gegen internationales Recht.

Prominenteste Gesuchte ist die Bürgerrechtsaktivistin Assata Shakur (Joanne Chesimard), die seit 1984 politisches Asyl in Kuba genießt. Im Mai 2013 war die heute 68jährige als erste Frau auf die US-Liste der meistgesuchten Terroristen gesetzt worden. Shakur wird die Beteiligung an einer Schießerei im Mai 1973 vorgeworfen, bei der ein Polizist getötet wurde. Trotz fehlender Beweise wurde sie 1977 wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, konnte zwei Jahre später aber aus dem Gefängnis entkommen und floh 1984 nach Kuba. Das Mitglied der Black Panther Party hat die Beteiligung an der ihr vorgeworfenen Tat stets bestritten. Das Vorgehen von Polizei und Justiz kommentierte sie mit dem Satz: »Wenn der Kampf gegen kapitalistische Ausbeutung, rassistische Polizeieinsätze, Sexismus und politische Unterdrückung ein Verbrechen ist, dann bin ich schuldig.« Wegen dieser Aussage wirft das FBI Shakur unter anderem vor, sie verbreite »weiterhin radikale Ansichten gegen die US-Regierung«.

Auch die anderen von der NJSP »steckbrieflich Gesuchten« sind in den USA politischer Verfolgung ausgesetzt. Black-Power-Aktivist Charles (Charlie) Hill, der 1971 ebenfalls ohne jeden Beweis als Polizistenmörder verurteilt worden war, entführte ein Flugzeug nach Havanna und erhielt dort Asyl. Er habe keine andere Möglichkeit gesehen, sich der politisch motivierten Verfolgung in den USA zu entziehen, begründete Hill den Schritt. »Ich bin kein Polizistenmörder, sondern ein Freiheitskämpfer«, betonte er. William Guillermo Morales gehört ebenfalls zu denen, die künftig von Touristensheriffs gejagt werden sollen. Das Mitglied der puertoricanischen »Fuerzas Armadas de Liberación Nacional« (FALN) war 1988 nach Verbüßung einer fünfjährigen Haftstrafe in Mexiko aus dem Gefängnis entlassen worden und von dort dann nach Kuba übergesiedelt. Zu seiner eigenen Sicherheit, wie er sagt. Er weist darauf hin, dass FALN-Führer Oscar López Rivera seit 1981 in US-Gefängnissen festgehalten wird und mit 35 Jahren weltweit der am längsten inhaftierte politische Gefangene ist. Victor Manuel Gerena, dem vierten auf der Liste, wird lediglich die Beteiligung am Raub von sieben Millionen Dollar aus einem gepanzerten Geldtransporter vorgeworfen. Laut Steckbrief der State Police wird ihm seine Mitgliedschaft in der puertoricanischen Unabhängigkeitsbewegung »Los Macheteros« vorgehalten, einer, wie es dort anklagend heißt, »revolutionären Anti-US-Organisation«.

Die Gewährung politischen Asyls für verfolgte afroamerikanische Aktivisten und Kämpfer für die Unabhängigkeit Puerto Ricos galt in den USA jahrelang als Begründung dafür, Kuba auf der US-Liste von Staaten zu führen, die »den Terrorismus fördern«. Obwohl Washington die Insel vor knapp einem Jahr – um die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu ermöglichen – von der Liste der »Schurkenstaaten« strich, starten ultrarechte US-Kreise immer wieder Kampagnen, in denen sie die »Auslieferung« der »Terroristen« fordern. Der jüngste Aufruf zur Kopfgeldjagd wurde von Colonel Rick Fuentes, dem ranghöchsten Offizier der NJSP, mit Artikeln in den rechtslastigen Tageszeitungen Miami Herald und New York Post vorbereitet. In Kuba verbreitete die aus den USA und der EU finanzierte Bloggerin Yoaní Sánchez bereits Ende letzten Jahres den FBI-Aufruf zur Jagd auf Shakur samt Hinweis auf die Kopfgeldprämie. Künftig soll die bisher bereits vom Springer-Konzern und der taz geförderte Gegnerin des kubanischen Systems auch mit dem Geld bundesdeutscher Gebührenzahler ausgestattet werden. Am Sonntag kündigte der staatliche Auslandsrundfunk Deutsche Welle an, dass Sánchez dort ein fester Programmplatz eingeräumt wird.


Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Volker Hermsdorf
Junge Welt, 06.04.2016