Karfreitag mit Sympathy for the Devil

Die Rolling Stones spielten zum ersten Mal in Havanna – vor einer halben Million begeisterter Zuschauer.

Im vergangenen Oktober hatte Mick Jagger Kuba besucht. Seitdem waren in Havanna die Gerüchte um ein Konzert der Rolling Stones hochgekocht. Der Sänger hatte bei seiner Visite erklärt, dass für ihn eine Show auf der Insel zu den zehn Dingen zählen würde, die seine Band auf jeden Fall noch machen müsste. Doch viele Skeptiker zweifelten an der Realisierung und nannten die Kosten oder die organisatorischen Probleme als Gründe. Doch Jagger machte seine Ansage wahr und kam nach Kuba. Die Stones und ihre gut 80köpfige Crew wurden im Hotel Nacional untergebracht. Der ehemalige Mafiatempel in Havannas Stadtteil Vedado unweit der Uferpromenade Malecón beherbergt heute meist Staatsgäste und Geschäftsreisende.

Als der Auftritt der Briten, die sich gerne als »die größte Rock’n’Roll-Band der Welt« feiern lassen, Ende Februar endlich bestätigt wurde, versprachen die kubanischen Behörden, dass alle Interessierten Zutritt zu dem Spektakel bekommen würden, obwohl der Eintritt kostenfrei sein sollte. Die 1962 gegründete Band, die von ihren Veranstaltern sonst Gagen von bis zu acht Millionen Euro verlangt, finanzierte das Konzert am vergangenen Freitag vollkommen selbst. Die neue Ton- und Lichtanlage, die mit einer eigens georderten Boeing 747 auf die Insel geflogen wurde, soll dem kubanischen Staat überlassen werden. Als Schauplatz des Konzerts wurde die Sportstadt, die »Ciudad Deportiva«, ausgewählt, die Platz für etwa 400.000 Menschen bietet. Ob das reichen würde, dazu gingen die Meinungen in den Tagen zuvor auseinander. Viele rieten, sich möglichst früh am Ort einzufinden, um auf jeden Fall reinzukommen.

Um eine 80 Meter lange Bühne mit sieben Großbildschirmen zu errichten, hatte die Band Technik in 61 Schiffscontainern herangeschafft. Die ersten Fans reisten bereits am Vortag an und schlugen in der Nähe des Konzertareals ihre Zelte auf. Ab Freitag nachmittag, wenige Stunden vor Konzertbeginn, begann der große Ansturm. Wie von Kubas Kulturminister Julián González Toledo garantiert, konnte das Gelände allen Platz bieten, niemand musste außen vor bleiben. Insgesamt gaben die Behörden die Zahl der Besucher schließlich mit einer halben Million Menschen an.

Nicht nur »Roqueros« aus allen Teilen des Landes gehörten zu den Gästen, auch ganze Familien und viele Touristen ließen sich dieses einmalige Spektakel nicht entgehen. Für alle anderen wurde das Konzert live im Fernsehen übertragen. Anderswo verlangen die Stones dreistellige Dollar-Beträge für den Eintritt, was normalerweise nur gutbetuchte Fans zu zahlen bereit sind. In Havanna hingegen war der Eintritt wie versprochen frei.

Die Stones begannen mit »Jumpin’ Jack Flash« und spielten dann 18 ihrer größten Hits, darunter »Angie«, »Paint It Black« und »It’s only Rock’n’Roll«. Jedes Lied wurde laut bejubelt, beklatscht und gefeiert. Auf den Schultern eines anderen ließen sich mit Smartphones oder Kameras die besten Erinnerungsfotos schießen. Während in Deutschland am Karfreitag ein allgemeines Tanzverbot gilt, erklang in Havanna »Sympathy for the Devil« – mit den dazugehörigen »satanischen« Symbolen auf den Leinwänden.

Auf dem Konzertgelände selbst waren der Verkauf und der Verzehr von alkoholischen Getränken verboten. Wer Snacks erstehen wollte, musste eigentlich das Gelände verlassen. Doch die Kubaner wussten sich auch diesmal zu helfen: Der Rum, den es inzwischen auch im praktischen 0,2-Liter-Tetrapack gibt, der hier Planchao genannt wird, ließ sich gut hineinschmuggeln. Ganz so trocken, wie verordnet, wurde das Konzert also nicht.

Der 72jährige Mick Jagger agierte genauso, wie man ihn kennt. Er wechselte mehrfach sein Bühnenoutfit, tobte auf der Bühne umher und begeisterte die Zuschauer. Mit »Satisfaction« beendeten die Stones schließlich nach zweieinhalb Stunden ihr erstes und hoffentlich nicht letztes Konzert in Havanna.


Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Mareike Haurand, Havanna
Junge Welt, 29.03.2016