Obama in Kuba und Argentinien.
Barack Obama ist ein ehrenwerter Mann. Wie Brutus, von dem Mark Anton in Shakespeares »Julius Cäsar« dasselbe behauptet. In Kuba und Argentinien präsentierte Obama sich als Vertreter des guten Amerika der Einwanderer, der Sklaven und ihrer Nachkommen, der USA des Präsidenten Abraham Lincoln, der für sein Engagement gegen die Sklaverei 1865 von einem fanatischen Rassisten erschossen wurde. Der 44. Präsident der Vereinigten Staaten betonte nun in Havanna mehrfach, dass er 1961 als Sohn eines Migranten aus Afrika vier Monate nach der gescheiterten Invasion von CIA-Söldnern in der kubanischen Schweinebucht geboren wurde. Seine eigentliche Botschaft, »Ich habe damit nichts zu tun«, drückte er in seiner Rede an die Kubaner mit dem Satz aus, er sei gekommen, um den Kalten Krieg auf dem amerikanischen Kontinent zu beenden. Wer wollte daran zweifeln, dass er ein ehrenwerter Mann ist?
Neu ist seine Methode nicht. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl berief sich z. B. 1983 auf die »Gnade der späten Geburt« und lehnte jede Verantwortung für die Verbrechen des Faschismus ab. Daran fühlt man sich erinnert, wenn der Kriegsherr und Oberkommandierende aller US-Killerdrohnen jetzt an die Menschen appelliert, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Bei Shakespeare sagt Mark Anton in seiner ironischen Lobpreisung des »ehrenwerten« Verräters Brutus allerdings: »Was Menschen Übles tun, das überlebt sie.« Sympathieträger Obama kann die von seinem Land in Lateinamerika verübten Greueltaten nicht dadurch ungeschehen machen, dass er sie verschweigt. Sein flammender Appell vom Dienstag im Großen Theater von Havanna zum »gemeinsamen Kampf gegen den Terror« ist nicht glaubwürdig, solange Terroristen wie der für das Bombenattentat auf ein kubanisches Verkehrsflugzeug im Oktober 1976 verantwortliche Luis Posada Carriles in Miami frei herumlaufen und sich mit Systemgegnern von der Insel treffen können. Die 3.478 kubanischen Opfer von Terroranschlägen, die von exilkubanischen Kontragruppen in den USA meist mit Hilfe der CIA organisiert wurden, erwähnte der Friedensnobelpreisträger mit keinem Wort.
Seine wahre Intention offenbart Obama in Argentinien. Dessen rechtskonservativer Präsident Mauricio Macri stammt aus einer Familie, die ihr Firmenimperium während der siebenjährigen Militärdiktatur ausbaute. Planung und Durchführung des Militärputsches vor genau 40 Jahren am 24. März 1976, in dessen Folge mehr als 30.000 Menschen ermordet wurden, waren vom US-Geheimdienst CIA unterstützt worden. Während die in aller Welt angesehene Opferorganisation der »Madres de Plaza de Mayo« (Mütter des Platzes der Mairevolution) den Besuch des US-Präsidenten am Jahrestag als »Provokation und Geschmacklosigkeit« bezeichnen, sehen Obama und Macri darin ein Symbol für die »Erneuerung der US-Führungsrolle« auf dem Kontinent. Genau mit diesem Anspruch begründet Obama auch seine neue Politik gegenüber dem sozialistischen Kuba.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
Junge Welt, 24.03.2016