Berichte über Besuch des US-Präsidenten wurden exklusiv, aber routiniert abgearbeitet. Kritik aus Miami.
Der Besuch von US-Präsident Barack Obama hat Journalisten aus aller Welt nach Havanna gelockt. Im Hotel Habana Libre wurde für 1.500 Berichterstatter ein Pressezentrum eingerichtet, in dem unter anderem ein kostenloser und schneller Zugang zum Internet bereitstand. Die Kosten dafür ließ sich Havanna wie üblich durch die Visa- und Akkreditierungsgebühren erstatten – worüber sich die Deutsche Presseagentur prompt mokierte.
Eine besondere Herausforderung war der offizielle Besuch aus dem Norden aber auch für Kubas Journalisten. Die Tageszeitung Juventud Rebelde erschien mit einer Sonderbeilage, im Internet boten das Zentralorgan Granma und andere Medien Liveticker an. Stundenlange Sondersendungen prägten auch das Programm des kubanischen Fernsehens. Die Regie achtete dort darauf, dass die Bilder des durch Havanna spazierenden US-Präsidenten angemessen kommentiert wurden. So präsentierte Cubavisión am Sonntag nach der Direktübertragung von der Ankunft Obamas einen Dokumentarfilm über Kubas Kampf gegen den (damals spanischen) Kolonialismus. Der Satellitenkanal Cubavisión Internacional hatte vor Beginn seiner Livesendung eine Aufzeichnung des Konzerts übertragen, mit dem Silvio Rodríguez im Dezember 2014 die aus US-Gefängnissen entlassenen und heimgekehrten »Cuban Five« begrüßt hatte.
Davon herausgefordert fühlte sich der aus US-Steuergeldern finanzierte Propagandasender TV Martí, dessen Schließung von Havanna als eine der Voraussetzungen für eine wirkliche Normalisierung der Beziehungen betrachtet wird. Im Studio in Miami spotteten die Macher über die »mangelnde Professionalität« der kubanischen Fernsehjournalisten. So habe Cubavisión seine Liveschaltung zur Ankunft Obamas erst begonnen, als die »Air Force One« schon gelandet war und sich auf dem Weg zu ihrer Parkposition befunden habe. Wäre es nach den Machern aus Miami gegangen, wäre wohl stundenlang das Bild des regenverhangenen Himmels über den Sender gegangen. Man selbst verbrachte die Zeit zwischen den offiziellen Veranstaltungen damit, immer wieder die Bilder der nicht genehmigten Protestaktion der »Damen in Weiß« vom Sonntag zu wiederholen und sich zugleich per Telefon von niemandem überprüfbare Schauergeschichten vom Agieren der kubanischen Sicherheitskräfte erzählen zu lassen.
Veröffentlichung |
André Scheer
Junge Welt, 24.03.2016