US-Präsident betont bei seiner Rede in Havanna die Gemeinsamkeiten der Menschen.
US-Präsident Barack Obama hat in Havanna verkündet, das Kriegsbeil mit Kuba als letztes Relikt des Kalten Krieges endgültig begraben zu wollen.
Der US-Präsident hat sich in Havanna als geschichtsfest erwiesen: Ich bin im Jahr der Schweinebuchtinvasion geboren (1961), ein Jahr später wandelte die Welt im Rahmen der Kubakrise am Atomkrieg entlang, die Floridastraße (Meeresstraße zwischen den Florida Keys (USA) und Kuba, d. Red.) ist auf beiden Seiten von kubanischen Arbeitern gebaut worden und der US-Kuba-Konflikt ist das letzte Kapitel des Kalten Krieges.
Nach einer Solidaritätsadresse an die Angehörigen der Terroropfer des Anschlags in Brüssel ließ Barack Obama bei seiner mit Hochspannung erwarteten Rede im Großen Theater von Havanna zum Abschluss seiner dreitägigen Kubareise keinen Zweifel daran, dass er den Konflikt mit Kuba ein für allemal beenden und Brücken zwischen den beiden nur 90 Seemeilen voneinander entfernt liegenden Staaten bauen will. Bei allen bekannten Unterschieden zwischen den Regierungen, politischen und wirtschaftlichen Systemen gebe es doch auch viele Gemeinsamkeiten: Kubas Nationaldichter José Martí schrieb Teile seines Werks in New York, Ernest Hemingway seinerseits Romane in Havanna, die gemeinsame von Obama geteilte Leidenschaft für pelota (Baseball) und vieles mehr. Pelota war nicht der einzige spanische Begriff und nicht der einzige spanische Satz, der Barack Obama nahezu akzentfrei über die Lippen ging. Mit »Sí se puede« schloss er seine Rede, die Übersetzung »Yes, we can«, verkniff er sich. Mit seinem ersten in Spanisch vorgetragenen Satz »Yo creo en el pueblo cubano« gab er die programmatische Richtung vor. Ein Wandel in Kuba ist möglich.
Obama beschrieb die USA und Kuba als zwei seit 1959 getrennte Brüder und sparte auch nicht mit Kritik an der USA-Politik davor: Vor 59 hätten die USA in Kuba Armut befördert und Korruption begünstigt. »Ich kenne die Geschichte, ich bin aber nicht in ihr gefangen«, sagte Obama, bevor er seine Botschaft für die Zukunft mitteilte. Wie José Martí es beschrieben hätte, sei »die Freiheit das Recht eines jeden Menschen, ehrlich sein zu können.« Implizit, nicht explizit sieht Obama Martís Formel in Kuba offenbar nicht für vollständig gegeben. Jedermann müsse vor dem Gesetz gleich sein, jeder müsse einen Anspruch auf die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte haben, aber es muss auch Protest gegen Regierungen erlaubt werden, Glaubensfreiheit herrschen und die Regierungen in freien und demokratischen Wahlen bestimmt werden.
Er verhehlte nicht, dass Raúl Castro ihn tags zuvor mit einer langen Liste der Schwächen der USA konfrontiert hätte, von Kriegen über soziale Ungleichheit bis hin zum Rassismus. »Ich nehme Kritik an, aber mir war es möglich, in den USA Präsident zu werden, trotz aller Mängel der US-Gesellschaft.« Warum? Weil offene Debatten in den USA für schrittweisen Fortschritt sorgen würden. Obama verwies darauf, dass, als sein schwarzer Vater und seine weiße Mutter zusammenkamen, Mischehen in vielen Bundesstaaten der USA noch verboten gewesen waren, aber die Offenheit des Systems ermöglicht hätte, Freiheiten zu erkämpfen, die ihn letztlich zum Präsidenten gemacht haben.
Obamas Botschaft: Der Ausgangspunkt für jede Revolution, ob in den USA, Kuba oder sonst wo sei die Demokratie, auch wenn keine perfekt sei. Den Individuen den Raum geben, frei zu denken, wie Gesellschaft verbessert werden kann, sei der Schlüssel für eine bessere Zukunft einer jeden Gesellschaft. »Die Zukunft von Kuba muss in den Händen der Kubaner liegen!«, sagte Obama auf Spanisch. Er sei hoffnungsvoll gestimmt, dass die Kubaner die richtigen Entscheidungen treffen würden und verwies auf das große Potenzial der gut ausgebildeten Bevölkerung. Kuba und die USA müssten die Vergangenheit hinter sich lassen: »Sí se puede«.
Martin Ling
Neues Deutschland, 23.03.2016