Kuba, die Menschenrechte und die Medien.
Die Kritik an der Kuba-Berichterstattung trifft nicht den US-Präsidenten, der in bekannter Propagandaroutine die Interessen seines Landes vertritt – sondern einige Medien, die diese Propaganda einfach übernehmen.
Wenn neutrale Institutionen wie die UNO die fehlende Pressefreiheit und den brutalen Umgang mit Opposition in Kuba kritisieren, so verbietet sich eine Relativierung jener Vorwürfe durch Verweise auf die Defizite anderer Länder. Lächerlich wird es aber, wenn mit den USA der aktuell und global wohl gravierendste Verletzer der Menschenrechte selber mit dem moralischen Finger auf die Insel zeigt - denn das karibische Eiland ist nicht nur Schauplatz schlimmer US-Verbrechen (Guantanamo), sondern wurde auch selber deren Opfer - etwa durch ein unmenschliches Sanktionsregime, Sabotageakte, Einmischung und eine versuchte Invasion der CIA in Kooperation mit dem US-amerikanischen Organisierten Verbrechen.
Die »Thüringer Allgemeine« sieht in Sachen Menschenrechte Kubas »hässliche Fratze«, laut »Südwestpresse« »belohnen« die USA Kuba nun für »die Einschränkung der Bürger- und Menschenrechte«, Medien vom »WDR« über »Reuters« bis zum »Deutschlandfunk« fordern dieser Tage, dass US-Präsident Barack Obama mit Kubas Präsident Raúl Castro »über die Menschenrechte« spricht. Wie darf man sich das wohl vorstellen? »Du Raúl, es wäre schön, Kuba würde sein Folterzentrum in dem von Kuba besetzten Zipfel Floridas räumen, wir wollen auch keine kubanischen Truppen mehr in Irak und Afghanistan, wir lehnen es ab, dass der kubanische Geheimdienst die Welt bespitzelt und wir finden es nicht OK, dass die kubanischen Sanktionen die US-Bevölkerung aushungern.«
Seine Kuba-Politik ist Obama hoch anzurechnen. Die politisch-gesellschaftlichen Defizite Kubas sind nicht zu leugnen. Dass der US-Präsident in Havanna Menschenrechtsfloskeln aussprechen muss, ist selbstverständlich. Und man merkt diesem klugen aber tragisch machtlosen US-Präsidenten (den man schon sehr bald schmerzlich vermissen wird) an, dass ihm die Leere dieser Phrasen sehr wohl bewusst ist. Die Kritik richtet sich also nicht gegen einen US-Präsidenten, der in bekannter Propagandaroutine die Interessen seines Landes vertritt - sondern gegen die Kuba-Berichterstattung vieler deutscher Medien, die diese Propaganda einfach übernehmen. So sind zahllose aktuelle Kuba-Berichte hierzulande geprägt von einem naiven US-Zentrismus und einer historischen Ahnungslosigkeit. Wäre es nicht Aufgabe der Kommentatoren, die unvermeidlichen Floskeln des US-Präsidenten als das zu enttarnen, was sie sind - gerade wenn man immer so viel vom »Einordnen der Nachrichten« redet?
Die USA, die sich im Inland eine schöne Verfassung gönnen, deren edle Inhalte sie aber dem Ausland allzu oft vorenthalten, hatten einst viel Einfluss in Kuba - und haben die Insel damals zum Bordell und zum Kasino für den reichen Norden degradiert. Nicht einmal die hoffnungslos verknöcherten Sozialisten brauchen sich also moralisch zu verstecken im Vergleich mit den heutigen US-Kriegstreibern oder mit den einstigen US-Stadthaltern Kubas, die die Insel der Cosa Nostra einfach überlassen hatten.
Tobias Riegel
Neues Deutschland, 23.03.2016