Altbekanntes von Obama
US-Präsident hält in Havanna eine Rede an die kubanische Nation. Wirklich Neues fehlte.
Überraschung im Großen Theater von Havanna: Kurz bevor US-Präsident Barack Obama am gestrigen Dienstag seine groß angekündigte »Rede an das kubanische Volk« begann, mischte sich Staatschef Raúl Castro unter die Zuhörer.
Er sei gekommen, um das letzte Relikt des Kalten Krieges in Amerika zu beseitigen, sagte Obama zum Auftakt seiner Ansprache und betonte die Gemeinsamkeiten zwischen Kuba und den USA. Beide Länder seien von Europäern kolonisiert worden, die Bevölkerung bestehe aus Einwanderern und den Nachkommen von Sklaven. Öfter von kurzem Applaus bestätigt, bemühte er die eigenen afrikanischen Wurzeln, die Bewunderung für Nelson Mandela und die Liebe zum Baseball. Ansonsten bot Obamas halbstündiges Bekenntnis zum eigenen Verständnis von Demokratie, Marktwirtschaft und freiem Unternehmertum nichts wirklich Neues. Vielmehr wiederholte der US-Präsident Altbekanntes. Während es in Kuba ein Einparteiensystem und eine sozialistische Wirtschaftsordnung gebe, glaube er an Demokratie und den freien Markt. Der Grund für die neue Politik der USA gegenüber Havanna bestehe vor allem darin, dass die bisherige nicht zum Erfolg geführt habe. Man wolle nicht die Beziehungen zur kubanischen Regierung, sondern zum Volk normalisieren und vertraue vor allem darauf, dass die Jugend und die neuen Selbständigen zu einer Veränderung beitragen werden.
In seiner Rede verlor Obama indes kein Wort zu den Terroranschlägen, Invasionsversuchen und durch die Blockade angerichteten Schäden, für die Washington die Verantwortung trägt. Als höflicher Gastgeber applaudierte Castro trotzdem, als Obama mit dem Satz »Sí, se puede« (Ja, es ist möglich) und einem flüchtigen Winken von der Bühne eilte. Vor dem um 13.30 Uhr Ortszeit beginnenden Baseballspiel wollte er doch noch pünktlich zu einem Treffen mit Systemgegnern in der US-Botschaft kommen, das Washington zur Bedingung für die Reise gemacht hatte. Ein Heimspiel und ein Pflichttermin zugleich, denn schließlich gibt die US-Regierung in diesem Jahr trotz begonnener »Normalisierung« 30 Millionen Dollar Steuergelder für den Umsturz in Kuba aus.
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Volker Hermsdorf
Junge Welt, 23.03.2016