Regenwetter machte die Inszenierung der Ankunft von US-Präsident Barack Obama in Havanna zunichte.
Wie ein strahlender Held konnte sich US-Präsident Barack Obama bei seiner Ankunft in
Havanna am Sonntag abend nicht präsentieren. Bei heftgem Regen hatte die Air Force One
um 16.19 Uhr (Ortszeit) auf der Landebahn des Flughafens aufgesetzt. Auch der Bummel mit
Ehefrau Michelle und den Töchtern Malia und Natasha durch die Altstadt von Havanna musste
unter Regenschirmen stattfinden und fiel damit für die mediale Selbstdarstellung weitgehend
ins Wasser. Auf dem Platz vor der Kathedrale, in der Kardinal Jaime Ortega auf Obama
wartete, suchten die Menschen mehr Schutz vor dem Tropenguss als die Nähe des Gastes aus
Washington.
Während sein Chef zunächst touristische Termine absolvierte, wollte Außenminister John
Kerry den Aufenthalt in der kubanischen Hauptstadt nutzen, um sich am Montag persönlich
über den Stand der Friedensgespräche in Kolumbien zu informieren. Dazu kündigte er
Gespräche mit den Vertretern Bogotás und der FARC-Guerilla an. Beide Seiten verhandeln seit
November 2012 in Havanna über die Beilegung des jahrzehntelangen Bürgerkriegs, in dem
mehr als 260.000 Menschen getötet wurden. Beide Seiten räumten jedoch ein, dass es nicht
gelingen werde, wie geplant bis zum 23. März das Abkommen über einen Waffenstillstand zu
unterzeichnen. Dagegen haben die meisten Punkte im Programm Obamas eher symbolischen
Charakter, etwa seine für den heutigen Dienstag geplante Rede vor »Vertretern der
Zivilgesellschaft« sowie der anschließende Besuch eines Baseballspiels.
Trotzdem wird die erste Visite eines US-Präsidenten seit 1928 auch in Kuba als historische
Chance gesehen. Wenn Obama sie nicht verstreichen lassen will, muss er in Havanna
allerdings mehr als Symbolik und Absichtserklärungen bieten. Seine Glaubwürdigkeit hängt
vor allem davon ab, ob die Blockade gegen Kuba weiter gelockert wird. Auch wenn deren vollständige Abschffung vom Kongress beschlossen werden muss, könnte die US-Regierung
deutlich mehr Einschränkungen aufheben, als bisher erfolgt. Weitere Prüfsteine sind die
Rückgabe des vom US-Militär besetzten Gebietes in der Bucht von Guantánamo, die
Einstellung der staatlichen US-Propagandasender Radio Martí und TV Martí sowie ein Ende der
Finanzierung von Systemgegnern. Erst Ende letzten Jahres hatte Washington das
Jahresbudget 2016 zur Unterstützung subversiver Aktionen in Kuba auf 30 Millionen Dollar
aufgestockt. Kurioserweise wurde jetzt Obama selbst zur Zielscheibe derer, die von seinem
Land so großzügig alimentiert werden. Radio Martí berichtete am Sonntag über die kurzfristige
Festnahme eines Konterrevolutionärs namens Ciro Alexis Casanova Pérez. Nachdem dieser in
Santa Clara bisher nur die Parole »Nieder mit Fidel, nieder mit Raúl Castro, nieder mit der
Revolution« verbreitet hatte, forderte er jetzt: »Weder Obama noch Castro, Freiheit für Kuba!«
Führende Vertreter der konterrevolutionären Szene waren vor dem Obama-Besuch nach
Miami eingeladen worden, um dort die Organisation von »Zwischenfällen« zu koordinieren (jW
berichtete). Am Sonntag versammelten sich dann die »Damen in Weiß« in Havanna zu einer
nicht angemeldeten Demonstration. Die Festnahme der Provokateure durch die kubanische
Polizei lieferte der Weltpresse die gewünschten Bilder. Obwohl Polizisten in Kuba nicht in
martialischer Kampfmontur, sondern in ihren gewöhnlichen Uniformen auftreten und weder
Wasserwerfer noch Gummiknüppel oder Pfefferspray zum Einsatz kamen, sahen westliche
Medien im Vorgehen der Behörden einen »Affront« gegenüber Obama und einen Beweis für die
Missachtung der Menschenrechte in Kuba. Bleibt abzuwarten, ob die gleichen Maßstäbe auch
bei Obamas nächstem Deutschland-Besuch im April gelten.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
Junge Welt, 22.03.2016