Barack Obamas historischer Besuch wird daheim vor allem von Wahlkämpfern kritisiert / 54 Prozent der US-Amerikaner haben ein »positives Bild« von der Karibikinsel.
Nicht nur im Weißen Haus stehen die Zeichen auf Normalisierung der Beziehungen zwischen den USA und Kuba.
Eine Kranzniederlegung an der José-Marti-Gedenkstätte, Gespräche mit Präsident Raúl Castro, ein »Unternehmergipfel«, so die Diktion des Weißen Hauses, mit kubanischen »cuentapropistas« (Kleinunternehmern) und ein Staatsempfang im Palast der Revolution sind die protokollarischen Höhepunkte des ersten Besuchstages des US-Präsidenten Barack Obama in Kuba. TV-Auftritt, Dissidenten und Baseballspiel sind am Dienstag dran, bevor Obama nach Argentinien weiterreisen wird - soweit das offizielle Besuchsprogramm.
Zum Auftakt maß die veröffentlichte Meinung in den USA dem Vorgang wenig Bedeutung bei, dass mit Obama als 44. USA-Präsidenten zum ersten Mal seit 88 Jahren wieder ein Chef des Weißen Hauses nach Kuba reist. Statt der Symbolik des historischen Besuchs stand am Wochenende in den amerikanischen Medien der Wahlkampf im Vordergrund - etwa die neuesten Ausfälle und Gegenproteste um den Republikanerkandidaten Donald Trump sowie die Neubesetzung des Obersten Gerichts.
Kuba ist nicht mehr das antikommunistische Reizthema, das es vor zehn oder 20 Jahren gewesen ist. Laut Umfragen vom letzten Herbst waren zwei Drittel der befragten US-Amerikaner für die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen und die Aufhebung des Handels- und Reiseembargos. Im Februar dieses Jahres gaben sogar 54 Prozent an, sie hätten von Kuba »ein positives Bild«. Jetzt noch schnell ein »authentisches« Kuba besuchen, bevor es im Massentourismus untergeht, sagen auch viele Amerikaner.
Dass mit antikubanischem Getöse keine politischen Punkte mehr zu erzielen sind, musste vor Kurzem der Republikaner-Senator aus Florida Marco Rubio (»Kuba ist eines der schlimmsten Unrechtsregime.«) erleben, als er in den Parteivorwahlen in seinem Heimatstaat gegen Donald Trump verlor. Der Multimilliardär hatte mehrmals erklärt, er habe gegen eine Annäherung an Kuba nur einzuwenden, dass er gern einen »besseren Deal« gesehen hätte. Rechts von Trump positionierten sich dagegen andere Republikaner. Der in den Vorwahlen hinter ihm liegende texanische Senator Ted Cruz, dessen Vater aus Kuba stammt, kritisierte Obama als »Apologeten« der kubanischen Regierung. Der demokratische Senator Robert Menendez aus New Jersey, der seit Jahren für einen Umsturz in Kuba mobil macht, wiederholte letzte Woche seinen Ruf nach »regime change«.
Auch der Fraktionsvorsitzende der Republikaner im Abgeordnetenhaus, Paul Ryan, verurteilte den Obama-Besuch scharf. Die Regierung in Havanna gewähre »Terroristen und Kriminellen Zuflucht«. Statt für Reformen in Kuba zu sorgen, werde das Weiße Haus »neue Verträge abschließen, die die kommunistische Regierung legitimieren und stärker machen«.
Obamas politischer Tross umfasst neben Hunderten von Beratern, Journalisten, Unternehmern und Kongressmitgliedern auch Vertreter der USA-Handelskammer. Die plädiert für eine Aufhebung des seit 1960 gültigen Embargos. Das aber kann nur durch einen Beschluss des USA-Kongresses aufgehoben werden. Eine Schlüsselrolle spielt dabei der Vorsitzende des USA-Kuba-Handelsrates Carlos Gutierrez. Er wurde in Havanna geboren und vollzog in seiner Laufbahn einen rasanten Sinneswandel. Hatte er als Handelsminister in der Bush-Regierung noch für eine Verschärfung der Blockadepolitik plädiert, tritt er heute für ihre Aufhebung ein und begleitet Obama in Havanna. Das Kalkül: Wandel durch Annäherung.
Auch der Vorsitzende des Senatsausschusses für auswärtige Beziehungen, der Republikaner Bob Corker aus Tennessee, steht für diese Richtung. Gleichwohl sieht Corker dafür erst nach dem Ende der Amtszeit Barack Obamas eine realistische Chance.
Politische Beobachter glauben, dass es Obama in erster Linie um sein politisches Erbe geht, das Tauwetter zwischen den USA und Kuba eingeleitet zu haben. Seine Priorität bestehe nicht im Druck auf den Kongress, das Embargo aufzuheben oder Guantanamo zu schließen. Sein verbliebenes »politisches Kapital« gegenüber den Republikanern werde Obama dafür verwenden, den von ihm nominierten Richter Merrick Garland für das Oberste Gericht durchzusetzen.
Max Böhnel, New York
Neues Deutschland, 21.03.2016