Vor dem Besuch von Barack Obama in Kuba: Regierung bekräftigt politischen Kurs. US-Präsident will Ansprache vor Systemgegnern halten.
Wenige Tage vor dem Besuch von US-Präsident Barack Obama in Kuba warnt dessen Außenminister Bruno Rodríguez vor der Illusion, dass der Karibikstaat seine politische Richtung ändern würde. Kuba werde nicht ein einziges seiner revolutionären Prinzipien aufgeben, erklärte der Politiker am Donnerstag nachmittag (Ortszeit) auf einer Pressekonferenz in Havanna. Zum Thema Menschenrechte bemerkte er ironisch, dass die US-Regierung sich offenbar mehr in Kuba als in ihrem eigenen Land um deren Durchsetzung kümmere. Wenn Washington das kubanische Volk tatsächlich unterstützen wolle, solle es endlich seine nach wie vor bestehende Wirtschaftsblockade aufheben.
Die am Mittwoch in Kraft getretene Lockerung weiterer Sanktionen (jW berichtete) bewertete Rodríguez zwar als positiv, aber nicht ausreichend. Er forderte die Aufhebung aller Einschränkungen, »die durch Entscheidungen der Regierung beseitigt werden können«. Während seines Aufenthalts in Kuba werde der US-Präsident »die Möglichkeit haben, unsere Realität und ein Volk kennenzulernen, das für eine bessere Zukunft kämpft«, bemerkte Rodríguez.
Angesichts der Vorgaben aus den USA sieht es allerdings nicht danach aus, dass Obama diese Chance nutzen wird. Wie sein stellvertretender Sicherheitsberater in Washington bekannt gab, wird der Präsident am Sonntag nachmittag (Ortszeit) in Begleitung seiner Familie und eines aus Politikern, Journalisten, Wirtschaftsvertretern und Sicherheitsagenten bestehenden Trosses in Kuba landen.
Am ersten Tag ist ein Besuch der Altstadt von Havanna sowie ein Treffen mit Kardinal Jaime Ortega in der Kathedrale geplant. Montag morgen werde Obama zunächst einen Kranz am José-Martí-Denkmal auf dem Platz der Revolution niederlegen und im Anschluss von Präsident Raúl Castro empfangen. Der Nachmittag sei für eine Zusammenkunft von Wirtschaftsvertretern beider Länder reserviert, und am Abend werde Obama an einem Staatsessen im Revolutionspalast teilnehmen.
Höhepunkt der Reise ist – aus Sicht von Regierung und Medien der USA – eine für Dienstag geplante Rede des US-Präsidenten »vor Vertretern der Zivilgesellschaft des Landes« im Großen Theater von Havanna. Unabhängig von den nach wie vor großen Differenzen in der Bewertung von »Menschenrechten, Demokratie und internationalem Recht« werde das kubanische Fernsehen die Rede live übertragen, kündigte Außenminister Rodríguez an. »Alle werden die Rede sehen und sich selbst eine Meinung darüber bilden können«, sagte der Politiker.
Die meisten der von der US-Regierung »Eingeladenen« sind alte Bekannte: Sie werden seit Jahren von den US-Diensten NED und USAID, von Stiftungen rechter Parteien, angeblichen NGOs und exilkubanischen Contra-Organisationen in Miami für Aktivitäten gegen das sozialistische System bezahlt. Der in Kuba lebende guatemaltekische Journalist Percy Francisco Alvarado Godoy berichtete am Dienstag in seinem Blog Descubriendo Verdades, dass etliche ihrer Anführer, darunter Antonio Rodiles, Berta Soler, Guillermo Fariñas, Yoani Sánchez und andere in Vorbereitung der Obama-Reise zu »Besprechungen« mit Politikern und Vertretern von ultrarechten Contra-Gruppen nach Miami eingeladen worden waren.
Dabei seien unter anderem »Aktionen« wie Demonstrationen in der Nähe der US-Botschaft in Havanna und medienwirksame »Zwischenfälle« geplant worden. Während der US-Präsident einzig diesen Personenkreis als »Repräsentanten der Zivilgesellschaft« akzeptiert, forderte der vier Millionen Mitglieder zählende Frauenverband Federación de Mujeres Cubanas am Dienstag von Obama, sich auch über das zu informieren, »was wir in bezug auf die Gleichheit der Geschlechter in Kuba erreicht haben«.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
Junge Welt, 19.03.2016