Wie ein »Dampfkochtopf«
Am 12. März 1996 verschärften die USA mit dem »Helms-Burton-Gesetz« die Wirtschaftsblockade gegen Kuba.
US-Präsident William Clinton von der Demokratischen Partei setzte vor 20 Jahren ein Gesetz in Kraft, das er ursprünglich nicht hatte unterschreiben wollen. Mit dem nach seinen republikanischen Initiatoren, Senator Jesse Helms und dem Kongressabgeordneten Danny Burton, benannten Maßnahmenpaket wurde die seit Februar 1962 festgeschriebene Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade der USA gegen Kuba weiter verschärft. Neben deren extraterritorialer Ausweitung verfolgte das Helms-Burton-Gesetz auch die Absicht, die Anwendung der Blockade dem Zuständigkeitsbereich des Präsidenten zu entziehen.
Helms-Burton-Act: »Freiheit für Kuba und demokratische Solidarität« |
Nur wenige Jahre zuvor, am 23. Oktober 1992, hatte Clintons Vorgänger George Bush senior bereits ein von dem demokratischen Kongressabgeordneten Robert Torricelli verfasstes »Gesetz für kubanische Demokratie« unterschrieben. Der »Torricelli Act« diente dem Ziel, andere Staaten zur Einschränkung des Handels mit der sozialistischen Inselrepublik zu zwingen und der Regierung in Havanna keine Kredite mehr zu gewähren. Der Präsident hielt anfangs nicht viel von der Vorlage, die Torricelli mit Hilfe exilkubanischer Organisationen und mit der Unterstützung des ebenfalls durch die kubanische Revolution 1960 enteigneten Bacardi-Konzerns erarbeitet hatten. Als Clinton dann im Wahlkampf 1992 aber den Entwurf unterstützte, um in der Contra-Hochburg Florida bei den Emigranten aus Kuba Stimmen zu gewinnen, schwenkte Bush um. Auf Grundlage des von ihm unterzeichneten »Torricelli-Gesetzes« wurden Drittländer unter Druck gesetzt, ihre Wirtschaftsbeziehungen mit Kuba einzustellen. Die Castro-Gegner hatten ihr Hauptziel erreicht. Doch das nach Protesten Kanadas, Mexikos und der Europäischen Union in einigen Punkten abgemilderte Gesetz ging ihnen nicht weit genug. Zudem missfiel ihnen, dass spätere Präsidenten es ganz oder zumindest teilweise wieder hätten außer Kraft setzen können.
Hetze der Exilkubaner
Drei Jahre danach griff der mit dem Tabakmulti Philip Morris, dem Bacardi-Clan und ultrarechten Contra-Gruppen in Miami eng verbundene Senator Jesse Helms das Thema wieder auf. »Ob Castro Kuba in einer vertikalen oder horizontalen Lage verlässt, ist sein Problem und das der Kubaner. Aber er muss gehen, und er wird gehen«, erklärte er im Februar 1995. Mit dem Abgeordneten Burton erarbeitete er einen Gesetzesentwurf, der noch stärker als der »Torricelli-Act« in die Rechte anderer Staaten eingriff und der kubanischen Wirtschaft endgültig den Garaus machen sollte. Ihr Plan liefe darauf hinaus, innerhalb Kubas »den Effekt eines Dampfkochtopfes« mit geschlossenem Ventil zu erzielen, prahlten die beiden Urheber.
Das ging Clinton, der seit Januar 1993 Präsident war und sich mittlerweile für einen moderateren Kurs gegenüber Havanna einsetzte, zu weit. Da er fürchtete, dass sich die Proteste einiger europäischer Verbündeter, Kanadas und Mexikos gegen die Kuba-Blockade verstärken würden, kündigte er sein Veto gegen das Gesetz an, das vom Senat bereits verabschiedet worden war. Helms und die exilkubanischen Antikommunisten in Miami schäumten vor Wut.
Militante Contra-Gruppen kämpften jetzt nicht nur gegen die Revolutionäre in Kuba, sondern auch gegen den US-Präsidenten. Eine davon, die von dem Terroristen José Basulto 1991 gegründete Fliegerstaffel »Hermanos al Rescate« (Brüder zur Rettung), heizte die Stimmung an. Am 9. und am 13. Januar 1996 drangen ihre Cessnas im Tiefflug in den Luftraum über Havanna ein und warfen eine halbe Million Flugblätter ab, in denen sie die Bevölkerung aufforderten, eine Revolte gegen die Regierung zu organisieren. Anfang Februar warnte die kubanische Luftwaffe das US-Außenministerium und das Pentagon vor »ernsthaften Konsequenzen«, wenn derartige Provokationen fortgesetzt würden.
Am 23. Februar, drei Tage bevor Clinton sein Veto gegen das von Helms und Burton vorgelegte Gesetz einlegen wollte, meldete Präsidentenberater Richard Nuccio besorgt: »Berichte der Polizei von Miami legen den Verdacht nahe, dass die Gruppe ›Brüder zur Rettung‹ morgen eine weitere Serie von Verletzungen des kubanischen Luftraums plant.« Tatsächlich starteten am nächsten Tag in Florida drei Cessnas der Organisation mit Kurs auf Havanna. Basulto selbst, der ein Flugzeug lenkte, drehte kurz vor dem Ziel wieder um. Die beiden anderen Maschinen flogen jedoch weiter, missachteten alle Aufforderungen abzudrehen und wurden schließlich von kubanischen Mig abgeschossen. Die vier Besatzungsmitglieder kamen dabei ums Leben. Gut zwei Wochen später, in den USA hatte der Wahlkampf um die nächste Präsidentschaft gerade begonnen, unterschrieb Clinton das Helms-Burton-Gesetz.
Ein Bumerang
Heute ist das Gesetz für die Regierung in Washington zum Bumerang geworden. Es schadet mittlerweile nicht nur der kubanischen, sondern auch der US-amerikanischen Wirtschaft und behindert darüber hinaus den am 17. Dezember 2014 von den Präsidenten Barack Obama und Raúl Castro eingeleiteten Entspannungsprozess. »Um die Beziehungen mit den Vereinigten Staaten zu normalisieren, wird es entscheidend sein, dass die Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade aufgehoben wird«, unterstrich das Organ des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kubas, Granma, in einem Leitartikel am 9. März (siehe in dieser Ausgabe die Seiten 12/13). Knapp zwei Wochen vor Obamas geplantem Besuch in Havanna ein deutlicher Hinweis. Da er die Blockade ohne Zustimmung der Mehrheit des Kongresses nicht beenden könne, erwarte das kubanische Volk, dass der US-Präsident »von seinen exekutiven Sonderrechten Gebrauch« mache, um ihre Anwendung »so weit wie möglich zu modifizieren«, schreibt die Parteizeitung weiter. Genau solche Schritte zur Entspannung wollen militante Antikommunisten in den USA und Systemgegner in Kuba gemeinsam verhindern.
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Volker Hermsdorf
Junge Welt, 12.03.2016