Imperium auf der Anklagebank
Kuba verurteilt vor UN-Gremium die Menschenrechtspolitik der USA
Kuba hat den USA am Mittwoch im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen wegen anhaltender Verletzung der Menschenrechte die Leviten gelesen. Drei Wochen vor dem Besuch des US-Präsidenten Barack Obama auf der Insel übte der Abteilungsleiter für multilaterale Angelegenheiten und internationales Recht im kubanischen Außenministerium, Pedro Núñez Mosquera, auf einer Sitzung der Organisation in Genf heftige Kritik an Washington. Er warf den USA unter anderem »Rassendiskriminierung, Gewalttätigkeiten der Polizei, Misshandlungen von Migranten und Flüchtlingen« sowie »Folter von Gefangenen« vor.
Núñez verwies darauf, dass Häftlinge sowohl in dem US-Gefangenenlager auf dem illegal besetzten Gebiet in der Bucht von Guantánamo als auch im Land selbst systematisch misshandelt würden. Die seit 1962 gegen sein Land aufrechterhaltene Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade geißelte der Diplomat als »Vergewaltigung der Menschenrechte eines ganzen Volkes«. Er wies darauf hin, dass die USA die Blockade in den letzten Monaten verstärkt hätten und damit versuchten, die sich entwickelnden Geschäfte sowie die internationalen Finanztransaktionen seines Landes zu verhindern.
Núñez hatte mit seiner Rede Äußerungen von US-Vizeaußenminister Antony Blinken pariert, der vor dem gleichen Gremium in Genf neben Kuba auch Venezuela, China und Russland der Verletzung von Menschenrechten bezichtigt hatte. Der nach Außenminister John Kerry ranghöchste Vertreter des State Departments forderte unter anderem die Freilassung des in Venezuela wegen gewaltsamer Ausschreitungen verurteilten und inhaftierten Oppositionspolitikers Leopoldo López.
Zu Kuba sagte er, dass Obama dort bei seinem Besuch am 21. und 22. März die »Notwendigkeit« unterstreichen werde, dass »das kubanische Volk seine Vertreter frei wählen und seine Meinungen frei äußern« könne. Der US-Präsident wolle sich zudem für ein »Aufblühen der Zivilgesellschaft« engagieren. Mit ähnlichen Vorstellungen im Gepäck will auch John Kerry in den nächsten Tagen zu einem »Menschenrechtsdialog« auf die Insel reisen. Kubanische Medien wie die Tageszeitung Granma und das Onlineportal Cubadebate warfen den US-Politikern vor, zu ignorieren, dass das kubanische Volk mit dem Sieg der Revolution am 1. Januar 1959 unabhängig und frei über den künftigen Weg des Landes entschieden habe.
Zudem wiesen sie darauf hin, dass Blinken in seiner Rede vor dem UN-Menschenrechtsrat mit Israel ausgerechnet den Staat verteidigt habe, gegen den das Gremium in den zehn Jahren seines Bestehens die meisten Resolutionen wegen Verletzung der Menschenrechte verabschiedet habe.
Der UN-Menschenrechtsrat war am 15. März 2006 auf Beschluss der Generalversammlung der Vereinten Nationen mit 170 Zustimmungen bei vier Gegenstimmen und drei Enthaltungen gegründet worden und löste die bis dahin existierende Menschenrechtskommission ab. Seine Einrichtung als Unterorgan der UN-Generalversammlung war einer der wesentlichen Reformvorschläge des damaligen Generalsekretärs Kofi Annan zur Stärkung des Menschenrechtsschutzes durch die Vereinten Nationen.
Gegen die Einführung des Rates hatten die USA, Israel sowie die pazifischen Kleinstaaten Palau und die Marshallinseln gestimmt. Dem Rat gehören 47 Mitglieder an, die für jeweils drei Jahre von der UN-Generalversammlung mit absoluter Mehrheit bestimmt werden. Kuba gehört noch bis Ende dieses Jahres zu den Mitgliedsstaaten.
Die Ausführungen des kubanischen Vertreters vom Mittwoch entsprechen der langjährigen wie auch der aktuellen Beschlusslage der Organisation. Die Mitglieder des UN-Menschenrechtsrates verurteilten erst vor wenigen Tagen erneut die ungesetzlichen Inhaftierungen und Folterungen im US-Lager Guantanamo Bay, verlangten ordentliche, den internationalen Normen entsprechende Gerichtsverfahren für alle Gefangenen und, sofern dies nicht geschehe, deren sofortige Freilassung und Entschädigung.
Auch die Blockade gegen Kuba, der Umgang mit indigenen Minderheiten, Rassendiskriminierung, die Situation in Gefängnissen und weitere Menschenrechtsverletzungen in den USA waren in den vergangenen Jahren wiederholt Gegenstand von Untersuchungen und Kritik des Menschenrechtsrats.
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Volker Hermsdorf
Junge Welt, 04.03.2016