Zum Ende der Buchmesse in Havanna wurde die erste Biographie über Raúl Castro vorgestellt.
Die 25. Internationale Buchmesse in Havanna schloss am Sonntag ihre Pforten. In den kommenden Wochen zieht sie durch die anderen Provinzen des Landes. Am Samstag war der größte Vorstellungssaal auf der historischen Festungsanlage an der Hafeneinfahrt noch einmal fast aus allen Nähten geplatzt. Hunderte Besucher aller Altersgruppen verfolgten gespannt die Vorstellung der Raúl-Castro-Biographie des russischen Publizisten Nikolai S. Leonow. In russischer und spanischer Sprache erschienen, ist »Un hombre en Revolución« die weltweit erste Biographie über Rául.
»Raúl Castro war der erste Ausländer, den ich in meinem Leben kennenlernte. Wir wurden Freunde und sind es bis heute geblieben«, berichtete der 87jährige Autor und erzählte, wie er ihn im Sommer 1953 auf einer Atlantiküberquerung an Bord eines italienischen Linienschiffes kennenlernte. Raúl Castro war damals ein junger Jurastudent auf der Rückreise von einem Jugendfestival in Europa und Leonow ein Nachwuchsdiplomat der Sowjetunion, der nach Mexiko geschickt wurde, um dort Spanisch zu studieren. »Ich blieb weiter in Kontakt zu Raúl, lernte Che Guevara und Fidel kennen und traf mich heimlich mit den Rebellen, die in Mexiko ihre Überfahrt für den Guerillakampf in Kuba vorbereiteten. Mir war klar, dass diese jungen Leute dort entweder Märtyrer oder Nationalhelden werden würden«, erzählte Leonow. »Von diesen Treffen wusste nicht einmal unsere Botschaft etwas, denn wir hatten Order, uns nicht in innere Angelegenheiten der Länder des Kontinents einzumischen.«
Er habe sich über diese Anweisung aber hinweggesetzt, als er in Lateinamerika das hässliche Gesicht des US-Imperialismus kennengelernt habe. 1958 trat er in die Dienste des KGB. Seine Freunde Raúl, Fidel und Che traf er erst im Februar 1960, gut ein Jahr nach dem Sieg der Revolution, in Kuba wieder, als Dolmetscher von Anastas Mikojan, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Ministerrates der UdSSR. Vermutlich ist Leonow diejenige Person, die die politische Entwicklung der Comandantes zum Marxismus-Leninismus am stärksten geprägt hat. »Raúl war derjenige, der dabei am konsequentesten voranging«, erinnert er sich.
Abel Prieto, Kubas ehemaliger Kulturminister und heute Berater von Raúl Castro bezeichnete Leonows Buch dann auch als »außergewöhnlichen Text«, der für das Verständnis der kubanischen Revolution unverzichtbar sei. Deren zukünftige Aussichten beschrieb er so: »Unsere Feinde agieren global, und unser Kampf muss ebenfalls global geführt werden«. Prieto versicherte, dass das Land keines seiner revolutionären Prinzipien aufgeben werde. Zum angekündigten Besuch von Barack Obama meinte er: »Wenn Obama über Menschenrechte diskutieren will, haben wir Kubaner zu diesem Thema sehr viel zu sagen«, und fügte hinzu: »Wir werden aber keinerlei Einmischung oder Bevormundung akzeptieren.«
Nikolai S. Leonow: Raúl Castro. Un hombre en Revolución. Editorial Capitán San Luis, La Habana, 2015, 491 S., 30 CUP (1,20 Euro)
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf, Havanna
Junge Welt, 23.02.2016