Erstmals seit 50 Jahren erlaubt Washington einem US-Unternehmen, eine Fabrik in Kuba zu errichten.
Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Kuba und den USA nehmen Fahrt auf. Ein Traktorenhersteller befährt nun Neuland.
Der Traktor »Oggún« für den kubanischen Markt
Foto: Andreas Knobloch
Als erstes US-amerikanisches Unternehmen seit mehr als 50 Jahren wird ein Traktorenhersteller aus Alabama ein Werk auf Kuba errichten. Die von den Unternehmern Saúl Berenthal und Horace Clemmons geführte Firma Cleber LLC erhielt von der US-Regierung grünes Licht.
Bereits Anfang November hatte die kubanische Regierung dem Unternehmen als erster US-Firma die Genehmigung erteilt, in der Sonderwirtschaftszone Mariel rund 45 Kilometer westlich von Havanna ein Traktorenwerk zu errichten. Die nach vietnamesischem Vorbild gestaltete Sonderwirtschaftszone war 2014 eröffnet worden. Zoll- und Steuervergünstigungen sollen ausländische Investoren dorthin locken.
Der Traktorenbauer hat eigens ein Modell für die kubanische Landwirtschaft entworfen, die von Kleinbauern und Kooperativen dominiert wird. »Unser Traktor ist einfach herzustellen und zu warten sowie als ›offener Bausatz‹ konstruiert, so dass in Kuba hergestellte Komponenten verwendet werden können«, erklärt Berenthal gegenüber »nd«. »Wir wollen den Kubanern zeigen, dass wir uns, obwohl wir ein US-amerikanisches Unternehmen sind, gut mit der kubanischen Kultur auskennen.« Daher haben Berenthal und Clemmons ihren Traktor, von dem ab 2017 jährlich rund 1000 Stück vom Band rollen sollen, nach der afrokubanischen Gottheit des Metalls »Oggún« getauft.
Saúl Berenthal wurde 1944 in Havanna geboren. Die Eltern hatten sich auf der Insel kennengelernt. Seine Mutter und ihr Bruder waren aus Polen nach Kuba geflohen - die einzigen aus der Familie, die sich vor dem Holocaust retten konnten. Seine Großeltern väterlicherseits wiederum waren mit ihren sieben Kindern aus Rumänien geflohen. Nach dem Triumph der Revolution emigrierte Berenthals Familie 1960 in die USA. Dort studierte er Physik und Mathematik und arbeitete dann 18 Jahre lang für IBM. In dieser Zeit lernte er Horace Clemmons kennen, der bis heute sein Geschäftspartner ist. Gemeinsam gründeten sie drei verschiedene Softwarefirmen, die sie später mit Gewinn an Citicorp, Gilbarco sowie Fujitsu verkauften. »Nach so vielen Jahren Arbeit in der Hochtechnologiebranche sind wir in Rente gegangen und entschieden, ein Unternehmen zu gründen, das kleinen Landwirten in den USA hilft«, berichtet Berenthal. »Aus dieser Idee entstand Cleber LLC.« Das war 2015.
Bereits 2007 war Berenthal erstmals nach Kuba zurückgekehrt, um seinen Söhnen seine Wurzeln zu zeigen. »Es war eine sehr emotionale Reise.« Neben der Organisation von Austauschprogrammen zwischen kubanischen Universitäten und der Universität von North Carolina, wo Berenthal damals lebte, begann er, sich aktiv am Wiederaufbau der Jüdischen Gemeinde in Kuba zu beteiligen.
Als die Präsidenten der USA und Kubas, Barack Obama und Raúl Castro, im Dezember 2014 die Annäherung zwischen beiden Ländern verkündeten, war die Landwirtschaft einer der wenigen Bereiche, in denen Handel zwischen beiden Ländern erlaubt war. »Wir dachten, wir könnten Teil dieser Annäherung sein«, sagt Berenthal. Die Idee mit den Traktoren für Kuba wurde geboren. »Wie in so vielen vorherigen Angelegenheiten ergänzen wir uns perfekt«, sagt er über seinen Partner Clemmons. »Er kennt sich mit Landwirtschaft und Traktoren aus und ich mich mit Geschäften und Kuba.«
Die kubanische Seite genehmigte das Projekt in weniger als 60 Tagen, wie Berenthal betont. In den USA dagegen gestaltete sich das Verfahren wegen der US-Blockadegesetzgebung komplizierter. Die Regularien erlauben zwar den Export landwirtschaftlicher Maschinen, wenn diese dem Privatsektor in Kuba zugute kommen. Insgesamt sechs US-Behörden aber mussten ihre Zustimmung geben. Der Antrag war im Juni 2015 eingereicht worden; nun gab es das OK.
Die Neuausrichtung der US-Kuba-Politik begrüßt Berenthal: »Ich denke, es war an der Zeit.« Es sei ein unumkehrbarer Prozess, »denn beide Völker sehnen sich nach einer Annäherung und möchten die familiären und freundschaftlichen Bande vertiefen, die es auf persönlicher Ebene immer gegeben hat«, so der 72-Jährige. Für die Blockade gebe es weder eine politische noch eine ökonomische oder moralische Rechtfertigung.
»Ich denke, unser Traktorenprojekt könnte Beispiel sein für andere US-Unternehmer, die Teil der Annäherung zwischen den USA und Kuba sein wollen.« Und es könnte dazu beitragen, die Blockade weiter aufzuweichen.
Andreas Knobloch, Havanna
Neues Deutschland, 18.02.2016