Raúl Castro in Paris
Kubanischer Präsident ist zu Staatsbesuch in Frankreich eingetroffen.
Kubas Präsident Raúl Castro ist am Sonnabend nachmittag zusammen mit Ministern seines Kabinetts in Paris gelandet. Der bereits im Vorfeld als historisch gewertete Staatsbesuch beginnt offiziell am heutigen Montag. Die Einladung nach Frankreich hatte Castros Amtskollege Francois Hollande am 11. Mai letzten Jahres ausgesprochen. Damals hatte er als erster französischer Staatschef seit Kubas Unabhängigkeit im Jahr 1898 die Insel besucht. Jetzt wurden in Erwartung des Gastes aus Havanna die Straßen von Paris, darunter die fast zwei Kilometer lange Champs-Élysées, schon in der vergangenen Woche mit den Fahnen der Nationen geschmückt.
Auf Castros Programm stehen unter anderem ein Gespräch mit Hollande im Élysée-Palast, die Unterzeichnung verschiedener bilateraler Vereinbarungen sowie ein Aufrtitt beider Präsidenten vor der internationalen Presse. Außerdem seien Treffen mit dem Präsidenten der Nationalversammlung, Claude Bartolone, Senatspräsident Gérard Larcher, der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo sowie Premierminister Manuel Carlos Valls geplant, meldete die kubanische Tageszeitung Granma. Kubas stellvertretender Außenminister Rogelio Sierra Díaz hatte die Reise bereits vorab als »Ausdruck des ausgezeichneten Standes der bilateralen Beziehungen und des politischen Dialogs auf höchster Ebene zwischen Kuba und Frankreich« bezeichnet. Er betonte den Wunsch seiner Regierung, die Verbindungen zu Paris weiter auszubauen. Im Gegenzug hob Jean-Pierre Bel, der persönliche Berater Hollandes für Lateinamerika, die Bedeutung Kubas auf dem amerikanischen Doppelkontinent hervor. Die Insel sei ein Schlüssel für Lateinamerika und die Karibik, sagte der Politiker gegenüber der Nachrichtenagentur Prensa Latina. »Wir brauchen Lateinamerika, und unser Ziel ist ein Austausch in allen Bereichen«, so Bel. Frankreich und Kuba befänden sich heute »in einer anderen Periode unserer Geschichte und der bilateralen Beziehungen«, fügte er hinzu. Als konkretes Beispiel führte Bel die erfolgreichen Verhandlungen über die Streichung eines Großteils der kubanischen Auslandsschulden an. Dadurch sei jetzt eine Zusammenarbeit zwischen der Insel und Europa ohne Beschränkungen möglich. Er stellte heraus, dass französische Unternehmen dadurch künftig mit einer gesicherten Finanzierung in Kuba an wichtigen Projekten arbeiten könnten.
Francois Hollande hatte bereits bei seinem Besuch auf Kuba für den verstärkten dialog mit dem sozialistischen Karibikstaat plädiert. Die beiden Länder, die schon 1902 diplomatische Beziehungen aufgenommen hatten, haben starke historische und kulturelle Bindungen. Seit 1992 unterstützt Frankreich in der Generalversammlung der Vereinten Nationen Kubas Forderung nach Aufhebung der US-Blockade. Nach Unterredungen mit dem früheren kubanischen Präsidenten Fidel Castro und mit dessen Bruder und Amtsnachfolger Raúl Castro hatte Hollande im vergangenen Mai bei einer Ansprache in der Universität von Havanna versichert, dass sein Land alles tun werde, um zur Beendigung der seit den 60er Jahren bestehenden Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade durch die USA beizutragen. Havannas Botschafter in Paris, Héctor Igarza, wies am Wochenende zudem darauf hin, dass der französische Präsident sich genauso entschieden für die Aufhebung des »Gemeinsamen Standpunktes« der europäischen Union einsetze. Dieses 1996 verabschiedete Papier macht einen Systemwechsel auf der Insel zur Bedingung für normale Beziehungen. Seit April 2014 haben beide Seiten jedoch bisher sechs Runden über eine »Vereinbarung für politischen Dialog und Zusammenarbeit« verhandelt.
Raúl Castros zweitägiger Staatsbesuch ist nun ein wichtiger Schritt zur Normalisierung der europäisch-kubanischen Beziehungen. Eine Premiere ist sein Empfang im Élysée-Palast jedoch nicht. Als erster kubanischer Präsident hatte Fidel Castro der französichen Hauptstadt bereits 1995 einen Besuch abgestattet.
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Volker Hermsdorf
Junge Welt, 01.02.2016