Über den Erfolg der weltweiten Solidaritätskampagne zur Befreiung der »Cuban Five«.
»Wenn wir fünf heute frei sind, dann dank der Bemühungen von Genossinnen und Genossen, die nicht eine Minute geruht haben und für unsere Freiheit demonstriert haben. Darum sind wir hier und bedanken uns« |
Vielen Dank für die Einladung und für die Gelegenheit, hier bei euch zu sein. (…) Auf mehreren Rosa-Luxemburg-Konferenzen war die Botschaft von uns fünf (gefangenen kubanischen Aufklärern: Antonio Guerrero, René González, Fernando González, Gerardo Hernández und Ramón Labañino, jW) zu hören. Diese Botschaft kam aus den US-amerikanischen Gefängnissen. Sie wurde von unseren Vertretern verlesen, manchmal auch von Familienangehörigen. Und heute ist es Realität geworden: der Traum, dass einer von uns fünf hier bei dieser Veranstaltung präsent sein darf. (…)
Wir haben eine Haltung
Ich will nicht über den Fall als solches reden. Ich möchte mich für die Solidarität bedanken. (…) Als wir fünf am 12. September 1998 ins Gefängnis geworfen wurden, haben sich die Amerikaner an der kubanischen Revolution gerächt. Sie haben sich gar nicht so sehr dafür interessiert, genau diese fünf Personen zu bestrafen. Sie haben in uns fünf eine Möglichkeit gesehen, die kubanische Revolution zu bestrafen. Sie haben in uns fünf eine Möglichkeit gesehen, das revolutionäre Volk Kubas zu bestrafen. Es hatte gewagt, (seit 1959, jW) das Imperium herauszufordern. Die USA haben erst versucht, uns zu kaufen, uns zu erpressen. Als ihnen das nicht gelang, haben sie versucht, uns zu beugen.
In den 16 Jahren, drei Monaten und vier Tagen, die wir im Gefängnis saßen, hatten sie keine Möglichkeit, uns zu unterwerfen. Wir waren in Hochsicherheitstrakts zusammen mit gewöhnlichen Häftlingen, mit Dieben, mit Drogenhändlern, mit Drogenabhängigen, mit Mafiosi, mit Mördern. Wir waren Zeugen von allen möglichen Sachen, die ihr euch vorstellen könnt – es wurde neben uns sogar gemordet. Es wäre für uns vielleicht einfach gewesen, auf die andere Seite zu wechseln und viele Jahre des Leidens zu vermeiden. Aber wir fünf sind nicht darauf eingegangen, nicht, weil wir besondere Personen gewesen wären, sondern wir fünf haben eine Haltung eingenommen, eine Haltung, die wir immer hatten.
Wir sind fünf Söhne der kubanischen Revolution, die inspiriert sind vom Vorbild Fidels, Raúls, inspiriert vom Geist des Kampfs und der Opfer des kubanischen Volkes, das mehr als ein halbes Jahrhundert das größte Imperium der Geschichte herausgefordert hat. Wir fünf haben den Weg des Kampfes und des Widerstandes im Sinne unserer Helden, unserer Märtyrer, unserer Führer beschritten. Ich muss das hier sagen: Wir hatten immer das Beispiel Fidels vor Augen, das hat uns in mehr als 16 Jahren geholfen zu widerstehen. Dieses Beispiel hat uns tagtäglich inspiriert. Dieser Kampfgeist, dieser Widerstandsgeist – und seine prophetischen Worte, die er sagte, als für uns die Nacht so dunkel war, als viele dachten, dass es für unseren Fall keine Lösung gibt. Da hat sich dieser Mensch, dieser Riese der Menschheit, vor sein Volk gestellt und gesagt: »Es wird ein langer Kampf sein. Es wird kein Kampf von Monaten sein. Es wird ein Kampf von Jahren sein. Aber ich sage euch eins: Sie kommen zurück, und sie kommen lebendig zurück.« (…)
Ohne Solidarität keine Chance
Vor wenigen Stunden sind wir auf dem Weg hierher in der Nähe des Brandenburger Tors gewesen. Ich habe mich erinnert, dass an der Wand meiner Zelle Fotos von Solidaritätsmanifestationen für uns fünf aus unterschiedlichen Ländern hingen. Diese Fotos habe ich mir jeden Tag angeschaut, wenn ich aufgewacht bin. Das hat mir Mut gemacht und mich daran erinnert, tagtäglich, dass es in unterschiedlichen Orten der Welt Genossinnen und Genossen gibt, die für unsere Freiheit kämpfen. Es gab keine bessere Art und Weise, mich aufzurichten, mich den Schwierigkeiten eines jeden Tages im Gefängnis entgegenzustellen. Eines dieser Fotos, das viele Jahre an der Zellenwand hing, zeigte eine Aktivität hier in Berlin am Brandenburger Tor, bei der vielleicht sogar einer von euch dabei war, um zu demonstrieren, um Plakate zu zeigen, um unsere Freiheit zu fordern, um Unterschriften zu sammeln. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um mich dafür zu bedanken. (…)
Es gab Freunde, die manchmal durcheinander waren. Sie sagten, wir haben so hart gearbeitet, am Ende haben wir sie gar nicht selbst rausbekommen; die Freilassung war das Ergebnis einer Verhandlung. Das ist ein Irrtum. Es hätte überhaupt keine Verhandlung gegeben, wenn wir fünf unbekannt gewesen wären. Es hätte überhaupt keine Verhandlung gegeben, wenn wir unwichtig für alle gewesen wären, wenn die USA nicht gewusst hätten, dass schon Hunderttausende solidarische Unterstützer aus der ganzen Welt hinter uns standen, wenn es nicht die Demonstrationen für uns fünf vor dem US-Konsulat gegeben hätte, bei denen unsere Freilassung gefordert wurde, bei denen Politiker, Nobelpreisträger sogar, sich unserem Kampf angeschlossen haben, wenn wir fünf nicht ein unbequemer Fall für sie geworden wären. Dann hätten sie sich nicht an den Verhandlungstisch gesetzt. Wenn wir fünf heute frei sind, dann dank der Bemühungen von Genossinnen und Genossen, wie ihr es seid, die nicht eine Minute geruht, manchmal im Regen oder im Schnee gestanden und für unsere Freiheit demonstriert haben. Darum sind wir hier und bedanken uns, liebe Genossinnen und Genossen.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um auch der jungen Welt Dank zu sagen, denn sie hat die Briefe in die USA geschickt. Ich bedanke mich nochmals bei der jungen Welt, dass sie immer unsere Sache unterstützt hat. Vielen Dank für euren Beitrag zur Durchbrechung des Schweigekartells der Medien, dessen Opfer wir gewesen sind. (…)
Mehr Sozialismus
Es gibt immer wieder Freunde, die sich verwirren lassen, die unsere Freunde sind, die aber sagen, der Kampf sei zu Ende, denn jetzt seien wir ja Freunde, man müsse nicht weiterkämpfen. Kuba hat Konzessionen gemacht oder wird Konzessionen machen. Noch einmal: Bringt das nicht durcheinander. Seit den Zeiten, in denen wir tagtäglich eine Stimme aus den USA gehört haben, manchmal sogar die des Präsidenten selbst, der sagte: »Wir haben mit Kuba nicht zu verhandeln, solange die Castros an der Macht sind.« In Wirklichkeit ist das kubanische Volk an der Macht. Sie sagten, wir haben mit denen nicht zu verhandeln, solange die kubanische Revolution an der Macht ist. Wir sprechen nicht mit Kuba, solange das Land sozialistisch ist. Aber noch sind die Castros an der Macht, die kubanische Revolution übt die Macht aus, die kubanische Revolution ist immer noch sozialistisch. Sie mussten sich also hinsetzen und verhandeln. Das war schon ein Sieg. Aber man soll sich nicht verwirren lassen. Kuba ist und wird jeden Tag sozialistischer, jeden Tag solidarischer. Kuba weiß sehr gut, wer die wirklichen Freunde sind und wo sie sind. Die Freunde, die uns niemals aufgegeben haben, auch nicht in den schwierigsten und schwärzesten Jahren. Das werden wir niemals vergessen.
Wir werden den Kampf niemals aufgeben – wir müssen ihn verstärken. Es ist der Kampf, um die illegale Blockade gegen unser Land zu beenden. Der Kampf dafür, dass uns das Territorium der Marinebasis Guantánamo zurückgegeben wird. Der Kampf dafür, dass die unmoralische Politik, die sie »Anpassungsgesetz für Kuba« nennen, beendet wird. (…) Die kubanischen Revolutionäre, die eurer Unterstützung so viel verdanken, sagen euch: Wir zählen weiter auf euch und auf eure Hilfe. (…)
Veröffentlichung |
Junge Welt, 27.01.2016