Klimaphänomen »El Niño« beschert Kuba Regen, Hochwasser und Kälte.
Ein in Kuba häufig zu hörender Spruch lautet: »Alles Schlechte kommt aus dem Norden.« Nicht nur spanische Eroberer oder die Invasoren in der Schweinebucht, auch das schlechte Wetter und extreme Kaltfronten im karibischen Winter kommen von dort. Seit Tagen fegen orkanartige Sturmböen über den Atlantischen Ozean, dessen meterhohe Wellen ganze Küstenstreifen in West- und Zentralkuba überflutet haben. In Havanna sind Feuerwehr und Zivilverteidigung seit Sonnabend in Alarmbereitschaft versetzt. Auch andere Teile des Landes sind von extremen Naturphänomenen betroffen. So wurden im Osten seit dem 17. Januar mehrfach spürbare Erdbeben registriert, zuletzt am Sonntag vormittag (Ortszeit).
Ursache der Überschwemmungen an der kubanischen Nordküste ist der Wintersturm »Jonas«, der am Sonnabend auch als Blizzard die Region um Washington (D. C.) und andere Teile der USA mit heftigen Schneefällen und Windgeschwindigkeiten von rund 60 Kilometern in der Stunde lahmlegte. Gut 1.800 Kilometer weiter südlich kam der kalte, kräftige Nordwind fast mit der gleichen Wucht und Stärke an. Wie das kubanische Fernsehen berichtete, türmten die Wellen sich vor dem Malecón von Havanna bis zu einer Höhe von sechs Metern auf. Die folgenden Überschwemmungen reichten von der Küstenstraße bis zu den in mehreren hundert Metern Entfernung parallel zu ihr verlaufenden Hauptstraßen Quinta Avenida im Stadtteil Miramar und Línea in Vedado. Im Viertel Santa Ana des Stadtteils Playa mussten 130 Menschen evakuiert werden. Die Nachrichtenagentur Prensa Latina sprach von den schwersten Überschwemmungen in der Hauptstadt seit Jahren. Opfer waren zum Glück bisher nicht zu beklagen, doch richteten die Unwetter erhebliche Sachschäden an. Die Behörden kündigten eine schnelle und unbürokratische Unterstützung sowie solidarische Hilfsaktionen bei den Aufräum- und Wiederaufbauarbeiten an.
Völlig unerwartet trafen Starkregen, Fluten und Kälte die Bevölkerung und den Katastrophenschutz in Kuba indes nicht. In der Tageszeitung Granma hatte Dr. Ramón Pérez Suárez vom INSMET-Klimazentrum bereits vor Wochen die heftigen Auswirkungen des Klimaphänomens »El Niño« vorausgesagt. Der Experte rechnet damit, dass Regen, Sturm und Gewitterfronten auf der Karibikinsel nach einem Höhepunkt im Februar noch bis März oder April anhalten könnten.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
Junge Welt, 26.01.2016