Das US-Markenamt macht in einem jahrzehntelangen Rechtsstreit eine unerwartete Rückwärtsrolle und spricht Kuba die Rechte am Rum zu.
Seit 1994 streiten das Unternehmen Bacardí und Kubas Regierung um die Rechte an einer Rummarke. Die US-Behörden schlagen mit der Annäherung beider Länder plötzlich neue Wege ein.
In Zukunft könnte auch in den USA wieder »Havana Club«-Rum drin sein, wo »Havana Club«-Rum draufsteht. Beinahe unbemerkt beendete in der vergangenen Woche das U.S. Patent- und Markenamt einen mehr als zwei Jahrzehnte andauernden Rechtsstreit um die Marke.
Die Regierungsbehörde sprach die US-Lizenz an Kubas berühmtester Rummarke etwas überraschend der kubanischen Regierung zu und nahm damit eine Politik zurück, die Havanna bisher die Markenrechte in den USA verweigert hatte. Das Urteil dürfte die langjährigen Spannungen zwischen dem Unternehmen Bacardí und Kubas Regierung neu entfachen - vor allem mit Blick auf den lukrativen US-Markt, sollte die US-Blockade gegen Kuba irgendwann aufgehoben werden.
Bacardís Vizepräsident Rick Wilson zeigte sich von der Entscheidung der US-Behörde überrascht und enttäuscht. Das Unternehmen werde alle zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, die Entscheidung anzufechten. »Es ist erschreckend, dass diese Regierung der kubanischen Regierung die Lizenz für Vermögenswerte gewährt, die beschlagnahmt wurden«, fluchte Wilson in Richtung der Obama-Administration.
Allerdings gelten die Lizenzrechte nur bis zum 27. Januar. Das hängt damit zusammen, dass sie jeweils für zehn Jahre vergeben werden - zuletzt im Jahr 2006. Cubaexport und das französische Unternehmen Pernod Ricard, die über ein Joint Venture »Havana Club« außerhalb der USA vertreiben, haben aber bereits eine Verlängerung bis 2026 beantragt und zeigten sich zuversichtlich, diese nun auch zu erhalten. Wirtschaftliche Auswirkungen hat die Entscheidung ohnehin zunächst kaum, da Kuba wegen der US-Blockadebestimmungen keinen Rum in den USA vertreiben darf. Aber das kann sich im Zuge der Annäherung beider Länder bald ändern.
»Havana Club« war in den 1950ern nach Bacardí Kubas zweitwichtigste Rummarke. Nach der Revolution 1959 wurden die Rumfabriken verstaatlicht; die Eigentümerfamilie Arechabala floh nach Spanien. Auch die Bacardí-Familie verließ die Insel, setzte die Rumherstellung aber in ihren Destillerien in Puerto Rico und Mexiko fort. Im Jahr 1973 versäumte es die Familie Arechabala, die Markenrechte für »Havana Club« zu erneuern. Drei Jahre später sicherte sich Kubas Regierung diese Rechte und registrierte sie in verschiedenen Ländern, darunter den USA. 1993 gründete sie das Joint Venture mit Pernod Ricard.
Im Jahr darauf begann Bacardí aber, das Markenrecht anzufechten. Das Unternehmen argumentierte, die Familie Arechabala habe ihre Markenrechte niemals aufgegeben und beantragte bei den US-Behörden die Registrierung einer gleichnamigen Marke. Ein jahrzehntelanger Rechtsstreit mit Pernod Ricard und Kubas Regierung begann, in den sich sogar die Welthandelsorganisation und die Europäische Union einschalteten.
Mit viel Lobbyarbeit erreichte Bacardí schließlich die Verabschiedung eines Gesetzes im US-Kongress, das als »Bacardí bill« bekannt wurde. Danach war es für Unternehmen mit kubanischer Beteiligung illegal, abgelaufene US-Markenrechte zu erneuern oder Marken zu registrieren, die von Kuba ohne Entschädigung verstaatlicht worden waren. Als 2006 die Markenrechte von Pernod Ricard und Cubaexport für »Havana Club« in den USA ausliefen, verhinderte das Bacardí-Gesetz die Erneuerung.
Pernod Ricard erhob daraufhin Klage gegen Bacardi mit dem Argument, der Verkauf eines neuen Rums unter dem Namen »Havana Club« wäre irreführend. Einige Jahre später urteilte ein Gericht in Philadelphia im Sinne von Bacardí und erlaubte dem Unternehmen, eine puerto-ricanische Version des kubanischen Rums in den USA zu vertreiben. Als 2012 der Oberste Gerichtshof der USA sich weigerte, den Fall anzunehmen, schien der jahrelange Rechtsstreit entschieden.
Vergangene Woche aber vollzog das U.S. Patent and Trademark Office nun plötzlich eine Rolle rückwärts. Die letzte Wendung dürfte aber auch das noch nicht gewesen sein.
Andreas Knobloch, Havanna
Neues Deutschland, 25.01.2016