Erste kubanische Migranten aus Costa Rica in den USA angekommen, Nicaraguaner abgeschoben.
Die ersten 180 der knapp 8 000 in Costa Rica gestrandeten kubanischen Migranten sind in den USA eingetroffen. Am Donnerstag und Freitag erreichten sie die texanische Grenzstadt Laredo. Am Dienstag zuvor waren sie von Costa Rica nach El Salvador ausgeflogen worden. Von dort reisten sie in Bussen durch Guatemala nach Tapachula im Süden Mexikos weiter, um mit einem 20 Tage gültigen Transitvisa ihren Weg in die USA auf eigene Faust fortzusetzen.
Bei den 109 Männern und 71 Frauen handelt es um eine erste Gruppe eines Pilotplanes, auf den sich die zentralamerikanischen Staaten Ende Dezember zur Bewältigung der Krise geeinigt hatten. Diese war Mitte November eskaliert, nachdem Nicaragua seine Grenze für Kubaner geschlossen hatte. Die Kosten der Verlegung von Costa Rica nach Mexiko in Höhe von 555 US-Dollar, einschließlich Flug, Verpflegung, Zollgebühren sowie Krankenversicherung, hatten die Kubaner selbst getragen.
Costa Ricas Außenminister Manuel González nannte die erste Phase des Pilotplanes einen »Erfolg«. Künftig könnten zwei Flüge pro Tag stattfinden. In den kommenden Tagen werden Vertreter der zentralamerikanischen Staaten - Guatemala, El Salvador, Honduras, Belize, Nicaragua, Costa Rica sowie Panama - erneut zusammenkommen, um die erste Phase des Pilotplanes zu evaluieren. Dabei wird auch Thema sein, wie mit jenen Migranten umgegangen werden soll, die die Flüge nicht selbst zahlen können.
Derweil wiederholten die Präsidenten Jimmy Morales (Guatemala), Salvador Sánchez Cerén (El Salvador), und Juan Orlando Hernández, (Honduras) bei einem Treffen mit US-Vizepräsident Joe Biden in der vergangenen Woche in Honduras die Forderung nach einem fairen und würdigen Umgang mit den zentralamerikanischen Migranten in den USA.
In der Vorwoche hatten sie die US-Regierung bereits gebeten, eine »integrale« Migrationsreform zu verabschieden. Hintergrund ist die Ankündigung Washingtons, Zentralamerikaner festzunehmen und abzuschieben, die ohne gültige Aufenthaltspapiere nach dem 1. Januar 2014 in die USA eingereist waren. Am ersten Januarwochenende waren bei Razzien in mehreren US-Bundesstaaten dann 121 »Illegale« festgenommen worden - die meisten aus zentralamerikanischen Ländern.
Während es die erste Gruppe Kubaner in die USA geschafft hat, wurden zeitgleich 29 Nicaraguaner, die bei den Razzien in den USA aufgegriffen worden waren, in ihr Heimatland abgeschoben. Dies zeigt das ganze Paradoxon der US-amerikanischen Einwanderungspolitik: Während kubanische Migranten als politische Flüchtlinge gelten und großzügige Aufenthaltsgenehmigungen erhalten, werden Migranten aus den zentralamerikanischen Staaten in der Regel abgeschoben oder in die Illegalität gedrängt. Die Auswanderungsmotive beider Gruppen - zumeist wirtschaftliche Gründe - unterscheiden sich dagegen kaum.
Die Zahl ausreisender Kubaner ist in den vergangenen Monaten sprunghaft angestiegen. Sie befürchten im Rahmen der Annäherung zwischen den USA und Kuba eine baldige Aufhebung des »Cuban Adjustment Acts« und damit ein Ende der Vorzugsbehandlung für kubanische Migranten durch die USA. Die kubanische Regierung wiederum macht diese speziell für Kubaner geltende US-Einwanderungspolitik für die Krise in Zentralamerika verantwortlich und fordert ihre Beendigung.
Auch wenn die US-Regierung wiederholt erklärt hat, ihre Einwanderungspolitik gegenüber Kuba in absehbarer Zeit nicht ändern zu wollen, nimmt die Diskussion darum im Land selbst Fahrt auf. So hat der republikanische Präsidentschaftskandidat Marco Rubio im US-Kongress eine Gesetzesinitiative gestartet, kubanischen Migranten gewisse Privilegien, wie die automatische Unterstützung durch Hilfsprogramme des Bundes, abzuerkennen.
»Es ist besonders empörend, wenn Individuen, die angeblich vor Unterdrückung in Kuba fliehen, hier willkommen geheißen werden und aufgrund ihrer schwierigen Situation Hilfen erhalten, um schließlich immer wieder dorthin zurückzukehren, von wo sie angeblich fliehen«, so der Politiker, dessen Eltern selbst aus Kuba stammen.
Zudem steht wohl das umstrittene Cuban Medical Professional Parole Program (CMPP), wonach »desertierte« kubanische ärzte und Mediziner umstandslos in die USA einreisen dürfen und Aufenthaltsgenehmigungen erhalten, auf dem Prüfstand durch die US-Regierung. Das berichten die in Miami beheimatete Tageszeitung Nuevo Herald sowie die spanische Zeitung El País mit Berufung auf Regierungskreise in Washington. Die Abschaffung des Programms wäre relativ gesehen ein kleiner Schritt, aber einer von immensem Symbolwert gegenüber Havanna.
Andreas Knobloch, Havanna
Neues Deutschland, 19.01.2016