Tourismus in Kuba – Kommt die Invasion?
Nach der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit den Vereinigten Staaten wurde in den ausländischen Medien immer wieder die eine Frage gestellt, der sich eine Spekulation anschloss: Ist Kuba auf die "Invasion" des US-Tourismus vorbereitet?
Zu diesem Thema führte Maria del Carmen Ramón mit José Luis Perelló, Dr. der Ökonomie und ordentlicher Professor an der Tourismusfakultät der Universität Havanna ein Interview.
Welchen Platz nimmt der Tourismus in der kubanischen Wirtschaft ein?
Als der Comandante en Jefe in den 90er Jahren verfügte, den internationalen Tourismus als Möglichkeit zur Gewinnung von Devisen zu entwickeln, wurde er zur ersten Option innerhalb der kubanischen Wirtschaft. Das war damals ein schwieriger Moment in der Geschichte Kubas, der durch das Verschwinden des sozialistischen Lagers bestimmt war. Der Tourismus stellte damals einen Impuls zur Entwicklung anderer Sektoren der kubanischen Wirtschaft dar, aber es war nicht beabsichtigt, ihn in seine Lokomotive zu verwandeln. Jeder Wirtschaftszweig muss seine eigene Lokomotive finden.
Heute kann man drei Schlüsselbereiche innerhalb der kubanischen Wirtschaft ausmachen: der erste sind die Dienstleistungen Kubas im Ausland, der zweite der Tourismus und der dritte die medizinisch-pharmazeutische Industrie. Für diese bestehen die größten Möglichkeiten, sich in den Weltmarkt einzugliedern. Der Tourismus hat auch dazu gedient, ein anderes Bild von Kuba zu verbreiten. In 20 Jahren haben 43 Millionen Ausländer uns besucht und das wirkliche Kuba kennengelernt, sie haben eine Insel gesehen, die bestimmte Werte und ihre Identität, ein Erbe und eine Kultur aufrecht erhält und der es gelungen ist, in verschiedenen Bereichen Indizes zu erlangen, die vergleichbar mit denen der industrialisierten Länder sind, und dies alles trotz des Mangels und der 54 Jahre andauernden Blockade.
Was suchen die Touristen, die hierher kommen? Was zieht sie an diesem Land an?
Ich würde sagen, es ist das typisch Kubanische. Sie kommen, um ein Volk zu sehen, das aufgrund fehlender Ressourcen und materieller Güter seine Ursprünglichkeit beibehalten hat, das aber aktiv und vital ist.
Es gibt andere Elemente, die für Kuba sprechen. Es ist ein sicheres Reiseziel, die Bevölkerung trägt die Kultur in sich und pflegt sie. Es ist ein Land, das den Fremden mit unglaublicher Gastfreundlichkeit empfängt und das eine lange Zeit tabu war, nicht nur für US-Amerikaner sondern auch für andere, die aus Angst nicht gekommen sind.
Und dann sind da natürlich unsere Strände.
Nachdem Obama eine Reihe von Lizenzen genehmigt hat, die die Möglichkeiten für US-Amerikaner, nach Kuba zu reisen, flexibilisiert haben, ist eine größere Anzahl von US-Amerikanern gekommen. Sie sind natürlich keine wirklichen Touristen, weil es ihnen vom Gesetz her verboten ist, aber sie nähern sich auf verschiedene Arten Kuba an. Welche Auswirkungen könnte das innerhalb der US-Gesellschaft haben, besonders, wenn die Blockade definitiv aufgehoben würde?
Es gab immer US-Tourismus nach Kuba. Man war neugierig, den kennenzulernen, der als Förderer des Terrorismus aufgelistet war. Der US-Bürger, der seit dem 16. Januar gekommen ist – als die zwölf Lizenzen ausgedehnt wurden -, kommt, weil er Kontakte mit dem Volk knüpfen, seine Kultur kennenlernen, ins Theater gehen, mit Studenten sprechen, mit Akademikern, Fachleuten diskutieren und durch die Straßen schlendern möchte. Der andere Tourismus ist der mit Sonne und Strand. Die US-Amerikaner können nicht als Touristen kommen, aber sie können kommen, um sich mit Journalisten und Akademikern auszutauschen, an kulturellen Veranstaltungen teilnehmen und eine andere Kultur kennenlernen. Natürlich könnten sie auch nach Varadero oder zu den Cayos im Norden Villa Claras fahren. Das geht zwar nicht mit dem Touristenvisum, aber wenn in Varadero ein wissenschaftliches oder kulturelles Ereignis stattfindet.
Ein weiterer fundamentaler Aspekt ist die Aufrechterhaltung der Sicherheit der Bürger im Reisezielland. Ein unsicheres Reiseziel verliert schnell an Attraktivität und es ist sehr schwierig, die Sicherheit zurückzugewinnen.
Man spricht viel davon, dass Kuba nicht darauf vorbereitet ist, die zu erwartende Lawine an US-Touristen aufzunehmen. Ist das so? Und wenn das so ist, welches sind die Bereiche, in die die kubanische Tourismusindustrie investieren muss?
Ich gehöre zu denen, die nicht an eine Lawine glauben, sondern einfach nur an einen Anstieg des Touristenaufkommens, aber nicht nur aus den Vereinigten Staaten, sondern auch aus den Ländern, die die meisten Touristen nach Kuba entsenden, darunter Kanada. Kanada weist augenblicklich im Vergleich zum Vorjahr ein Wachstum von 13 % auf. Im Jahr 2014 sind 1,175 Millionen kanadische Touristen nach Kuba gekommen und dieses Jahr sind wir bereits bei 1,221 Millionen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass innerhalb der nächsten drei Jahre die Zahl der US-Touristen, die nach Kuba reist, mit Kanada gleichzieht, auch wenn das zwei unterschiedliche Segmente sind.
Den US-Amerikaner interessieren die Städte und die Dörfer und die Kanadier flüchten vor der Kälte und deswegen suchen sie Sonne, Strand und all inclusive. Kuba muss sich auf dieses Wachstum vorbereiten. Aber das Problem sind nicht die Unterkünfte sondern die Infrastrukturen im allgemeinen.
Nach Kuba gelangt man mit dem Flugzeug. Daher ist eine Investition in die Flughäfen dringend erforderlich. Man hat zig neue Zimmer in Hotels bereitgestellt, augenblicklich verfügt Kuba über 62.090 Hotelzimmer und über 18.000 Zimmer in Privathäusern. Aufgrund der Schwierigkeiten, die sich aus der Blockade und der fehlenden Finanzierung ergeben, müssten viele Hotels restauriert werden und eine große Zahl von Zimmern kann nicht genutzt werden, weil die erforderliche Instandhaltung nicht durchgeführt werden konnte.
Aber was hat man für die Erweiterung der Flughäfen getan? Wenn man nicht in die Flughäfen investiert, wird es schwierig werden, die ausländischen Besucher zu empfangen, weil es keinen Ort gibt, wo sie ankommen können. Wenn mehr Leute ankommen sollen, sind mehr kommerzielle Flüge erforderlich und man braucht mehr Raum, wo diese Flugzeuge landen können. Es muss auch die Logistik der Flughäfen erweitert werden, damit es zu weniger Verzögerungen kommt. Das erfordert Gepäcküberprüfung mit Röntgenstrahlen, Gepäcktransportbänder, Transportdienste beim Verlassen des Flughafens, das alles sind kostspielige Investitionen.
Zum anderen muss man darüber nachdenken, in die maritimen Häfen zu investieren. Es wird viel von Kreuzfahrtschiffen gesprochen, aber wo sollen sie vor Anker gehen? Man braucht Docks, wo sie anlegen können, und man benötigt einen Kreuzfahrtterminal, wo die Passagiere ähnlich wie am Flughafen abgefertigt werden können. Bevor ein Fährdienst nach Kuba aufgenommen werden kann, benötigt man einen Terminal für diese Fähren, mit allem was dies an Infrastruktur erfordert.
Yachthafen Cayo Santa Maria |
Wie viele Yachten könnten die Absicht haben nach Kuba zu kommen, wenn erst einnmal die Vereinigten Staaten die Reisen von Privatyachten gestatten? Im Süden Floridas warten 40.000 von ihnen auf die Gelegenheit, aber wie viele Anlegeplätze hat Cuba? Etwas mehr als tausend vielleicht, denn es geht nicht nur darum, dass diese Yachten einen Anlegeplatz finden, sondern sie benötigen auch einen Anschluss für Wasser- und Stromversorgung.
Es ist nicht so, dass Kuba nicht dafür bereit ist oder nicht bereit sein könnte, es ist einfach so, dass man hier nicht geglaubt hat, dass sich die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten kurz- oder mittelfristig ändern könnten.
Wenn wir die Hotelbelegung bis September dieses Jahres betrachten, können wir feststellen, dass 17,9 % mehr Gäste gekommen sind, aber die Hotels noch nicht einmal zu 60 % ausgelastet waren. Es gibt also noch nicht genutzte Kapazitäten, was die Unterbringung angeht. Daher gehe ich nicht davon aus, dass das Haupthindernis bei den Unterkünften liegt.
Es gibt 2.400 private Restaurants im Land. In Havanna kann man wahrscheinlich eines alle 200 Meter finden. Aber es fehlen die Dinge, die dem Profil der neuen Art von Besuchern mit kulturellem Interesse entsprechen. Es müsste mehr Musiksäle und Räumlichkeiten zum Tanzen geben, Orte, an denen man einen Kaffee oder ein Bier zu sich nehmen und gleichzeitig live Musik hören kann. Auch Sportveranstaltungen sollten stärker propagiert werden.
Um noch einmal auf den Kreuzfahrttourismus zurückzukommen – welche Vor- und Nachteile würde er für das Land haben?
Wie hoch die Erträge sind, die aus dem Kreuzfahrttourismus geschöpft werden, bestimmt das Land selbst. Der Kreuzfahrttourist kommt mit seinem eigenen schwimmenden Hotel und braucht keine Unterkunft. Deswegen muss er, wenn er das Schiff verlässt, eine Steuer zahlen und dieses Kreuzfahrzschiff nimmt Dienstleistungen im Hafen in Anspruch, die auch bezahlt werden müssen. Es mag Personen geben, die auf dem Schiff bleiben, aber die meisten verlassen das Schiff. Wie viel Geld der Kreuzfahrttourist im Land lässt, hängt von den Reiseagenturen ab, weil sie es sind, die Ausflüge anbieten.
Damit die Kreuzfahrtschiffe kommen, muss schnell die Infrastruktur geschaffen werden, die dies ermöglicht. Die US-Kreuzfahrtschiffsgesellschaften zeigen Interesse an den Häfen von Havanna, Baracoa, Manzanillo, Santa Cruz del Sur, Cienfuegos, Casilda und María la Gorda. Die Reiserouten, die zur Zeit vorgeschlagen werden, sind Inselrundreisen, weil unsere anderen karibischen Brüder Inseln mit Sonne und Stränden haben.
Wir werden einen Natur- und Kulturtourismus anbieten, deswegen sind im Entwicklungsplan des Tourismussektors alle Modalitäten des nautischen Sektors vorgesehen. Nicht nur Kreuzfahrtschiffe, da sind auch die Yachtklubs, das Chartern von Yachten, Wettbewerbe, Regatten, alle Arten von sportlichen und Freizeitaktivitäten, die mit Wasser in Verbindung stehen. Wir haben viele Gewässer, jeder Stausee bietet eine Möglichkeit und jeder Fluss hat schiffbare Abschnitte, auf denen man Abenteuertourismus durchführen und Rudern und Kanufahren kann.
Ich glaube, dass der Kreuzfahrttourismus wichtig ist, denn dann könnten wir ein für allemal sagen, dass der kubanische Archipel ein touristisches Reiseziel ist, das alles anbietet.
Der Kreuzfahrttourismus wächst seit einigen Jahren um 10 % und ist damit die touristische Modalität mit dem höchsten Anstieg. Im Jahr 2014 konzentrierten sich 44,9 % des Kreuzfahrttourismus auf die Karibik, aber in der letzten Zeit gab es aufgrund der Migrationsströme und der Wirtschaftskrise in Griechenland ein Nachlassen in der wichtigen touristischen Zone des Mittelmeers. Dies erschwert es den Kreuzfahrtschiffsgesellschaften des Mittelmeers, in der Zone der Karibik zu agieren, was einfach möglich wäre,weil sie sich auf dem gleichen Breitengrad befindet. Bis jetzt ist Kuba noch in keiner Reiseroute von Kreuzfahrtschiffen vorgesehen. Wenn es einmal soweit ist, brauchen sie nur Kuba in die Anlaufhäfen einzugliedern.
Angesichts der Chancen, die sich für die kubanische Tourismusindustrie auftun, steht das Land vor großen Herausforderungen. Kuba in ein Ziel für den Kreuzfahrttourismus zu verwandeln, Investitionen im Flughafensystem zu tätigen, die Hotelinfrastruktur zu verbessern, das kulturelle Angebot zu erhöhen, zu erreichen, dass Kuba nicht nur ein dauerhaftes Ziel für den Sonne- und Strand - Tourismus, sondern darüber hinaus wird ... (Cubahora)
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Maria del Carmen Ramón
Fotos:Cubatraveltur
Granma Internacional, 15.01.2016