Ein Jahr, in dem alle Freiheit Platz hatte
Ein Jahr ist vergangen, seit die Fünf ein Wiedersehen mit ihrem Land, ihrer Familie und ihren Freunden feiern konnten. Über das, was diese Zeit für sie bedeutet hat, sprach Granma mit ihnen.
ANTONIO GUERRERO:
MIT DER BEREITSCHAFT DES ERSTEN TAGES
"Nach 16 Jahren und, ich glaube, drei Monaten und vier Tagen Gefängnis freizukommen und ins Vaterland zurückzukehren, diesen Moment zu beschreiben, dafür fehlen einem die Worte (...). Was ich sagen kann, ist, dass von diesem Augenblick an (...) die ganze Zeit im Gefängnis wie weggewischt war.
(...) Wir wären bereit gewesen, die Aufgabe, die man uns übertragen hatte, in voller Anonymität auszuführen, und wir hätten dort mit anderen Compañeros sterben können (...). Danach kam das Gefängnis und einige von uns waren zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe verurteilt worden und wir wären auch bereit gewesen, im Gefängnis zu sterben. Wir wussten die ganze Zeit, dass von Anfang an die Führung der Revolution, unsere Regierung und unser Volk uns nicht aufgeben würden (...).
Selbst in den schlimmsten Momente haben wir diese Freiheit, dieses Glück gefühlt und gespürt, wie wichtig es war, dort zu sein und jeden Tag die Doppelmoral der Politik des Imperiums in seinem gerühmten Kampf gegen den Terrorismus anzuklagen. Und das war von großem Nutzen, viele Menschen in der Welt haben sich wegen unserer Sache zusammengeschlossen (...). Ich habe ge-schrieben und gemalt, das war für mich eine Möglichkeit, um mich noch nützlicher und freier zu fühlen.
Dann sind wir hier angekommen und das Jahr ist schwindelerregend schnell vergangen (...). Es ist ein Jahr gewesen, in dem wir vor allem unserem Volk und allen unseren Freunden unseren Dank aussprechen wollten.
Seit dem Tag, an dem wir hier ankamen, das möchte ich deutlich machen, haben wir unserem Präsidenten, dem Armeegeneral Raúl, unsere Bereitschaft erklärt, die Aufgabe zu übernehmen, für die wir gebraucht würden. Und wir haben ihm gesagt: ´Sag auch Fidel, dass wir hier sind`. Und unser Land hat entschieden, dass wir unsere ganze Zeit nicht nur den Familien widmen sollen, sondern auch mit vielen Kollektiven, mit vielen Jugendlichen in Kontakt treten sollen …
Als wir dann manchmal gefragt haben: ´Gut, und wo gehen wir hin, welche Aufgabe gibt es für uns’, haben sie gesagt: ´Aber ihr arbeitet doch’. Und tatsächlich waren die intensiven Aktivitäten dieses Jahres nützlich und fruchtbar (...). Ich glaube, wir haben uns rückgekoppelt und jeden Tag viel über die kubanische Wirklichkeit erfahren. Ich glaube, dass dies auch für jede weitere Aufgabe wichtig ist, die sicher kommen wird und die zu übernehmen wir dieselbe Bereitschaft haben wie am ersten Tag."
FERNANDO GONZÁLEZ:
DER TAG, AN DEM DIE EINHEIT VOLLENDET WURDE
"Es ist ein sehr intensives Jahr gewesen. Sowohl René als auch ich haben gesagt, dass unsere Freiheit und unser Glück erst vollkommen seien, wenn die anderen Drei zurückkehren. Und genau am 17. Dezember 2014 ist dieser Wunsch Wirklichkeit geworden.
Wir haben uns immer als eine Einheit gefühlt. Dass zwei auf dieser Seite Floridas und drei auf der anderen waren, bedeutete nicht, dass diese Einheit verschwunden wäre. Wir sind immer die Fünf gewesen und so so wird das auch bleiben.
Endlich, am 17. Dezember wurd die Einheit vollendet und entsprechend groß war unsere Freude und unsere Freiheit, denn man fühlt sich nicht wirk-lich frei und glücklich, solange nicht alle zurückgekehrt sind. Das war das Größte an jenem Tag im Dezember.
Danach kam die Zeit, in der man dieses Glück mit der größtmöglichen Anzahl von Menschen teilte und gleichzeitig die Verpflichtung übernahm, allen für die Anstrengungen zu danken, die sie all diese Jahre für unsere Freilassung unternommen haben. Dem haben wir praktisch das ganze Jahr 2015 gewidmet.
In meinem Fall, da ich im Kubani-schen Institut für Völkerfreundschaft (ICAP) arbeite, ist eine meiner Haupt-aufgaben, wenn ich mit Delegationen zusammentreffe oder an einem internationalen Treffen teilnehme, den Freunden in allen Teilen der Welt für die Jahre des Kampfes, es waren 16 lange Jahre, zu danken, für alle durchgeführten Initiativen, die Ressourcen und die Energie, die sie in dieser Schlacht eingesetzt haben.
Als ich am 28. Februar 2014 in Havanna ankam, haben mich die Familienangehörigen derer, die noch im Gefängnis verblieben waren, mit ehrlicher Freude empfangen, so als ob ich einer ihrer Söhne wäre, auch wenn wir wussten, dass in der Tiefe ihrer Herzen der Schmerz war, dass diese weiter eingekerkert waren.
Deswegen genieße ich so sehr, obwohl jetzt schon ein Jahr vergangen ist, diese Beziehung von Tony und Mirtha und Maruchi, von Ramón und seiner Familie, von Gerardo und Gema, weil deren Familien mich zuvor empfangen hatten, als ob ich ein Teil von ihnen wäre."
RAMÓN LABAÑINO:
EIN JAHR DER LIEBE
"Seit unserer Rückkehr haben wir Momente reinen Glücks erlebt. Es war ohne Zweifel ein sehr dynamisches Jahr. Wir haben unzählige Orte besucht und viele Menschen, nicht nur in unserem Land, sondern auch im Ausland. Aber ich glaube, von allem, was wir erlebt haben, hat uns am meisten die ungeheuere Zuneigung beeindruckt, die man uns bei jedem Treffen mit unseren Leuten zukommen ließ, die spontane Herzlichkeit, die Dankbarkeitsäußerungen von denen, die hier leben, und denen, die nicht hier leben.
Als wir im Gefängnis waren, haben wir uns immer vorgestellt, dass unsere Rückkehr und das Wiedertreffen etwas ganz Großes sein würde, aber die Wirk-lichkeit hat unsere Träume bei weitem übertroffen. In diesen 12 Monaten hatten wir die Gelegenheit, aus nächster Nähe zu erfahren, was das Volk fühlt, seine Sorgen und seine Erwartungen in Bezug auf die Fünf kennenzulernen. Und tatsächlich hat sich für uns angesichts dieser Anerkennung eine große Verantwortung ergeben. Man hat uns einen sehr hohen Platz zugewiesen und wir denken die ganze Zeit, wie wir am besten den Erwartungen, die man an uns stellt, gerecht werden können, dem, was die Revolution von uns fordert.
Heute erfordert das Szenario, in dem Kuba lebt, mit der Wiederaufnahme der Beziehungen mit den USA und dem ganzen sozioökonomischen Umwand-lungsprozess ein höheres Maß an Vorbereitung, an Konstanz, an Studium, an Aktualisierung und wir fühlen uns dem außerordentlich verpflichtet, weil wir Teil des Projekts und der kubanischen Gesellschaft sind und dem haben wir uns dieses Jahr gewidmet.
Ich würde dieses Jahr als ein Jahr der Liebe bezeichnen, aber vor allem von großem Lernen, des wieder auf die Erde Zurückkommens. Ich glaube, dass wir noch im Landeanflug sind und wir uns ins jeder Hinsicht dabei sind zu aktualisieren. Das erste und letzte Wort, das wir immer sagen, und das Wort, das wir in diesem Jahr am häufigsten gesagt haben, ist danke, und ich glaube, das wird noch eine ganze Zeit so bleiben."
RENÉ GONZÁLEZ:
EIN GEHALTENES VERSPRECHEN
"Die Rückkehr meiner Brüder war für mich persönlich wie eine Wunde, die sich geschlossen hat. Ich habe immer gesagt, dass wir, solange sie nicht hier sind, nicht wirklich frei wären. Jeder einzelne Tag in Freiheit, während sie im Gefängnis waren, war eine Last, die schwer auf mir gelegen hat (...). Für mich war es also das Schließen einer Wunde und die vollkommene Freiheit. Aber auf der anderen Seite war ihre Rückkher ein durchschlagender, überwältigender Sieg des kubanischen Volkes, unserer Familien, der Solidarität (...).
Dieses Jahr, habe ich geglaubt, würde das Jahr meiner „Befreiung“ sein. Aber eigentlich war es das Gegenteil. Es war ein Jahr beladen mit Aktivitäten, das dahinflog. Ein Jahr, in dem wir alles, was möglich war, getan haben, um unsere Dankbarkeitsschuld abzutragen, die wir gegenüber vielen Menschen auf der Welt haben. Es war ein Jahr der Feiern mit unserem Volk, auf den Straßen Havannas und mit denen, die uns mögen, außerhalb des Landes. Ein Jahr, um diesen Sieg zu genießen (...).
Es ist ein weiteres Jahr, um mit der Familie zusammenzusein, um so viele Dinge wiederzugewinnen, die wir verloren hatten (...), um den Sieg der Familie zu feiern, denn diese Geschichte ist auch die Geschichte einer Aggression gegen unsere Familien, von der sie uns trennen wollten, die sie zerstören, spalten, demütigen wollten. Deswegen war es im Bereich der Familie die Möglichkeit, mit ihr diese Liebe zu genießen, die am Ende ein Sieg ist gegen alle Bösartigkeit des mächtigsten Imperiums der Geschichte.
Der Besuch auf dem Pico Turquino (höchster Berg Kubas) ist im Grunde ein Beweis für unseren Optimismus, denn als wir die erste Zeit im „Loch“ (Isolationshaft) waren, ich glaube noch vor Ende des Jahres 1998 sprachen wir schon darüber, dass die Fünf eines Tages auf dem Pico Turquino feiern würden. Damals war der Fall noch nicht bekannt. Fidel hatte noch nicht gesagt, ´sie werden zurückkommen’ aber wir wussten bereits im tiefsten Inneren, dass wir eines Tages auf den Pico Turquino steigen würden. So wurde dies die Erfüllung eines Ver-sprechens, aber auch ein sichtbares Zeichen von Optimismus, von Zuversicht (...)."
GERARDO HERNÁNDEZ:
DER 17. WIRD EIN GEBURTSTAG SEIN
"Es war ein Jahr, das sehr schnell vergangen ist (...). Es geht nicht nur um die 16 Jahre, die wir im Gefängnis waren, sondern auch um die Zeit, in der wir die Mission erfüllten, es waren fast 20 Jahre, die wir vom Vaterland entfernt waren. Aber das Treffen mit unserem Volk war unglaublich beeindruckend, es war auch eine unheimliche, die Familie wiederzusehen, die Bevölkerung, vom ersten Tag an haben wir von allen Zuneigung erfahren.
Ich würde sagen, dass das bedeutsamste, neben den herausragenden Ereignissen wie dem Treffen mit unserem Comandante en Jefe und dem 24. Februar, als man uns zu Helden der Republik Kuba erkärte, der Austausch mit unserem Volk war, dies war überall eine bereichernde Erfahrung.
Wir haben viel von unserer Rückkehr geträumt (...). Auf dem Papier stand, dass ich nie nach Kuba zurückkehren würde und in nur ganz wenigen Tagen überschlägt sich das Leben und du kehrst in dein Land zurück. Die ganze Zeit im Gefängnis zu sitzen, fast ohne physischen Kontakt, ohne ein soziales Leben, und plötzlich bist du mitten in deinem Volk (...).
Als ich von der Schwangerschaft Adrianas erfuhr, war ich unheimlich froh, aber gleichzeitig befiel mich auch eine Traurigkeit. Als man mir die Schwangerschaft bestätigte, empfand ich eine große Beklemmung, weil ich nicht wusste, ob ich eines Tages mein Kind kennenlernen könnte, ob ich rechtzeitig zu seiner Geburt käme oder ich es großziehen könnte. Letzt-endlich ist alles vollkommen verlaufen, wir kamen am 17. Dezember und Gema wurde am 6. Januar geboren.
Die Veränderung in meinem Leben fand von heute auf morgen statt (...). Ich kam von einem Hochsicherheitsgefängnis und plötzlich war ich an einem Ort, wo alle Leute kamen, um mich zu umarmen. Und zwischen all dem konnte ich auch noch Gema in meinen Armen halten ... Es fällt mir schwer, das alles zu beschreiben.
Manchmal sehne ich mich nach der Anonymität, aber auf der anderen Seite weißt du, dass diese Menschen, die auf dich zukommen, bei Kundgebungen für die Fünf waren, in praller Sonne, im Regen. Es könnten die sein, die dir geschrieben haben, die uns viele wertvolle Gesten entgegenbrachten und dann versuche ich immer auf sie einzugehen.
Der 17. Dezember wird immer ein Geburtstag für uns sein. Wir werden mit allen unseren Compañeros vom Innenministerium zusammenkommen. Ich weiß, dass an diesem Tag viele Menschen an uns denken."
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Granma Internacional, 15.01.2016