Verhandlungen über Abkommen mit EU gehen in sechste Runde. Gespräche über Migrationskrise in Washington.
Havannas Spitzendiplomaten arbeiten diese Woche eine umfangreiche Agenda ab. Am heutigen Montag vertritt Josefina Vidal, Generaldirektorin für die Beziehungen zu den USA im kubanischen Außenministerium, ihr Land in Washington bei bilateralen Gesprächen über Migration. Der stellvertretende Außenminister Abelardo Moreno ist derweil auf den Weg nach Brüssel, wo am morgigen Dienstag die für zwei Tage angesetzte sechste Gesprächsrunde über ein Kooperationsabkommen zwischen Kuba und der EU beginnt.
Bei den Gesprächen in Washington geht es um eine Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Menschenhandels. Nach der Zerschlagung einer Schlepperbande durch die Behörden Costa Ricas sitzen mittlerweile fast 4.000 kubanische Migranten in dem mittelamerikanischen Land fest. Kuba macht dafür dir USA verantwortlich und wirft Washington vor durch den »Cuban Adjustemt Act« (CAA) die illegale Migration zu fördern. Das 1966 beschlossene Gesetz garantiert Kubanern – im Gegensatz zu allen anderen Lateinamerikanern – auch nach »illegaler« Einreise ein Aufenthaltsrecht auf Lebenszeit sowie zahlreiche weitere Privilegien. Sowohl der CAA als auch ein Programm, mit dem medizinische Fachkräfte aus Kuba bei Einsätzen in Krisenregionen abgeworben werden, verstießen gegen »Geist und Buchstaben« geltender Verträge, erklärten Vertreter Havannas vor der heutigen Gesprächsrunde.
Ihre Position wurde in der vorigen Woche durch die Außenminister von zwölf lateinamerikanischen Staaten gestärkt, die am Dienstag auf einer außerordentlichen Sitzung des Zentralamerikanischen Integrationssystems (Sistema de la Integración Centroamericana, SICA) in El Salvador mehrheitlich ebenfalls die Abschaffung des CAA gefordert hatten. Die Teilnehmer warfen den USA eine diskriminierende Praxis vor, da sie die Auswanderung von Kubanern förderten, während Migranten aus anderen Ländern Zentralamerikas deportiert würden. Als erste von mehreren auf der SICA-Konferenz diskutierten Maßnahmen führt Ecuador am morgigen 1. Dezember eine Visumspflicht für Kubaner ein. Die in Miami erscheinende Tageszeitung Nuevo Herald berichtete am Wochenende unter Berufung auf einen Sprecher des US-Außenministeriums, dass Washington weder den »Cuban Adjustment Act« aufgeben noch seine Politik zur Unterstützung der Migration aus Kuba ändern wolle.
In Brüssel geht es dagegen bereits um letzte Formulierungen einer »Vereinbarung für politischen Dialog und Zusammenarbeit«. Dieses Dokument soll den »Gemeinsamen Standpunkt der« EU ablösen, der die Kuba-Politik der Europäischen Union seit 1996 blockiert. Er war damals auf Initiative des rechtskonservativen spanischen Ministerpräsidenten José Aznar beschlossen worden und macht einen Systemwechsel auf der Insel zur Bedingung für normale Beziehungen. Kuba ist deshalb das einzige Land Lateinamerikas, mit dem die EU noch immer kein Kooperationsabkommen abgeschlossen hat. Die jetzt angestrebte Vereinbarung soll aus drei Teilen bestehen, die konkrete Regelungen in den Bereichen Zusammenarbeit, Handel und politischer Dialog enthalten. Das 21 Punkte umfassende Kapitel zum Handel ist nahezu fertig, da bereits in der fünften Gesprächsrunde im September in Havanna zu fast allen Fragen Einigung erzielt werden konnte. Auch der Abschnitt zur Zusammenarbeit steht offenbar kurz vorm Abschluss.
Größere Differenzen bestehen anscheinend aber noch immer beim Abschnitt zum politischen Dialog. Dieser schließt unter anderem Bereiche wie Menschenrechte, Migrationspolitik und Abrüstung ein. Die Europäische Union besteht unter dem Stichwort »Good Governance« (Gute Regierungsführung) auf einer »Stärkung der Zivilgesellschaft« in Kuba. Havanna will dagegen auch Themen wie Arbeitsbedingungen, soziale Gerechtigkeit, Gleichberechtigung, Verbraucherschutz sowie das Recht aller Bürger auf Erziehung, Gesundheitsversorgung und Teilhabe am kulturellen Leben, mit gleichem Stellenwert einbringen.
Veröffentlichung |
Volker Hermsdorf
Junge Welt, 30.11.2015