»Ich weiß, dass es hier große Sorgen in linken Kreisen gibt«

Kuba-Solidaritätsgruppe feiert 25jähriges Bestehen. Unterstützung für den Inselstaat weiter nötig. Gespräch mit Heinz-W. Hammer.

Am 28. November feiert die Regionalgruppe Essen der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba e. V. ihr 25jähriges Bestehen. Sie haben die Arbeit der Gruppe maßgeblich geprägt. Wie fällt Ihre Bilanz aus?

Wir sind eine kleine Regionalgruppe mit sehr beschränkten materiellen und personellen Ressourcen und können dafür auf eine positive Bilanz zurückblicken. Wir haben uns regional wie überregional als verlässlicher und beständiger Partner in verschiedenen Bündnissen erwiesen, haben innerhalb der Solidaritätsbewegung Akzente gesetzt. Mit unseren zahlreichen eigenen öffentlichen Aktionen der Kuba-Solidarität haben wir uns ebenso einen Namen gemacht wie mit der Beteiligung an internationalistischen und antifaschistischen Bündnissen. Und angesichts der üblichen »Halbwertszeit« von linken Zusammenhängen ist eine kontinuierliche Aktivität über ein Vierteljahrhundert durchaus beachtlich.

Seit der Annexion der DDR ist die politische Linke in Deutschland schwer geschwächt. Ist es Ihnen trotzdem gelungen, breitere Unterstützung für die Solidarität mit dem sozialistischen Kuba zu organisieren?

Unser Ziel war es immer, eine Gegenöffentlichkeit zu der durchweg einseitig antikubanischen Propaganda hierzulande herzustellen. Dazu muss man in der Tat überaus »dicke Bretter bohren«, da die gezielt erzeugten Vorurteile immens sind. Mit unseren Aktivitäten haben wir dazu beigetragen, diese Vorurteile abzubauen. Dafür spricht auch die Tatsache, dass unsere Mitgliedschaft nicht nur aus dem klassischen »linken Lager« kommt, sondern auch Menschen aus anderen Milieus zur Freundschaftsgesellschaft gefunden haben und finden.

Das Verhältnis zwischen Kuba und den USA hat sich in den vergangenen Monaten punktuell entspannt. Wie bewerten Sie die Annäherung?

Laut US-Regierungsmemorandum vom 6. April 1960 war das Ziel der umfassenden Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade, »das wirtschaftliche Leben Kubas durch Verweigerung von Geld und Versorgungsgütern zu schwächen, um die Nominal- und die Reallöhne zu mindern, um Hunger, Verzweiflung und den Sturz der Regierung herbeizuführen«. Es ist ein grandioser Sieg des sozialistischen Kuba, dass der US-Präsident im Dezember 2014 öffentlich zugeben musste: Ja, unsere Politik ist gescheitert!

Über 50 Jahre erfolgreichen Widerstand gegen die mächtigste Militärmacht der Weltgeschichte zu leisten und dabei die eigenen Ideale nicht zu verraten – was für ein Vorbild! Eine Normalisierung der zwischenstaatlichen Beziehungen wäre für Kuba die Grundlage für die weitere erforderliche ökonomische Stabilisierung.

Und welche Folgen ergeben sich aufgrund dieser Annäherung für Ihre Solidaritätsarbeit?

Zunächst müssen wir uns den bewusst geschürten Illusionen in der hiesigen Bevölkerung entgegenstellen. Die Konzernmedien suggerieren, dass mit der Ankündigung der Normalisierung der zwischenstaatlichen Beziehungen durch die beiden Präsidenten Raúl Castro und Barack Obama vom vergangenen Dezember die Blockade vorbei sei. Das Gegenteil ist der Fall! Die jW hat in den vergangenen Monaten über die diesbezüglichen Fakten berichtet. So hat die US-Regierung mehrere Kreditinstitute wegen ihrer Geschäfte mit Kuba zu hohen Strafzahlungen verurteilt. Außerdem: Weder die USA noch die mit ihr verbandelten Regierungen rücken von ihren subversiven Aktivitäten gegen Kuba ab. Hauptziel dabei ist die Jugend, von der angenommen wird, dass sie am anfälligsten für Initiativen zum Sturz des sozialistischen Systems sei. Es bleibt unsere Aufgabe, diese illegalen Praktiken aufzudecken und anzuklagen. Und wir müssen den deutschen Regierungsstellen weiter auf die Finger sehen und uns auch zukünftig dafür einsetzen, dass sie nicht nur mit Worten ihre antikubanische Führungsrolle auf EU-Ebene beendet und endlich zu gleichberechtigten staatlichen Beziehungen mit dem Inselstaat findet.

Ein Abrücken Kubas vom sozialistischen Gesellschaftsmodell fürchten Sie nicht?

Ich weiß, dass es hier große Sorgen in linken Kreisen gibt. Diese werden regelmäßig nicht nur von Heuchlern, sondern auch von guten Freunden Kubas geäußert. Ich empfehle, einfach mal die diesbezüglichen Äußerungen der Vertreter der kubanischen Revolution zur Kenntnis und ernst zu nehmen.

Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba

Veröffentlichung
mit freundlicher Genehmigung von

junge Welt

Interview: Markus Bernhardt
Junge Welt, 24.11.2015