Hintergrund: US-Anreize für Kubaner
Der vom Kongress im November 1966 verabschiedete »Cuban Adjustment Act« (CAA) ist für Kubaner der entscheidende Anreiz, in die USA auszuwandern.
Nach diesem Gesetz wird jeder kubanische Einwanderer auf US-Gebiet grundsätzlich als politischer Flüchtling behandelt. Nach einem Mindestaufenthalt von einem Jahr haben sie einen Rechtsanspruch auf eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung (Legal Permanent Residency, LPR). Dieses Recht gilt auch für »illegal« Eingewanderte und für solche Antragsteller, die dem US-Staat – nach dortiger Diktion – als Sozialhilfeempfänger »zur Last fallen«.
Ein bilaterales Abkommen von 1994 sieht allerdings vor, dass von der US-Küstenwache auf hoher See abgefangene Kubaner nicht als Flüchtlinge gelten und auf die Insel zurückgeschickt werden. Aufgrund dieser als »Wet foot, dry foot« bezeichneten Politik wurden nach US-Angaben im Jahr 2014 insgesamt 2.111 Personen nach Kuba zurückgeführt, in den ersten drei Januarwochen 2015 waren es bereits 712. In den Ende Januar 2015 aufgenommenen Gesprächen zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Kuba und den USA ging es auch um Migrationsfragen. Erklärtes Ziel beider Seiten sei die Herstellung einer »legalen sicheren und geordneten Ein- und Auswanderung«, hieß es. Die Delegationen verpflichteten sich, die Kooperation zur Verhinderung illegaler Migration auszubauen. Havanna forderte zudem die Abschaffung des CAA, da die Garantie eines sicheren Aufenthaltsstatus der Aufforderung zur irregulären Migration gleichkomme, Verhandlungen darüber werden von Washington jedoch bis heute zurückgewiesen. Konservative Politiker verteidigen das Gesetz mit dessen Zielsetzung, die darin bestehe, »die Regierung der Castros zu stürzen und die Menschenrechte auf Kuba durchzusetzen«.
Das gleiche Ziel verfolgt auch ein unter George W. Bush 2006 eingeführtes Programm mit der Bezeichnung »Cuban Medical Professional Parole« (CMPP), das mit der Zusage von einreise- und Aufenthaltserlaubnis sowie gutbezahlten Jobs gezielt medizinisches Personal aus Kuba bei Auslandseinsätzen zur Desertion in die USA animiert. Obwohl angesichts des Einsatzes Kubas im Kampf gegen die Ausbreitung des Ebola-Virus in Westafrika und der Hilfe kubanischer Mediziner in Haiti sowie in zahlreichen anderen Regionen der Welt innenpolitische Druck in den USA zugenommen hat, die Aktivitäten zur Destabilisierung Kubas einzustellen, weigert Washington sich bislang, die Abwerbeprogramme zu stoppen und den »Cuban Adjustment Act« aufzuheben. Kubaner, die es auf dem Landweg bis über die US-Grenze schaffen, halten den blauen Pass sowie den Anspruch auf Arbeitserlaubnis und staatliche Unterstützung quasi schon in ihren Händen.
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(VH)
Junge Welt, 23.11.2015