Predigt unter Che-Porträt
Papst Franziskus zu Besuch in Kuba. Grüße an Fidel ausgerichtet.
Papst Franziskus will sich in Kuba und den USA für die weitere Normalisierung des Verhältnisses zwischen beiden Ländern einsetzen. Die Wiederaufnahme der Beziehungen bezeichnete das Oberhaupt der katholischen Kirche am Sonnabend bei seiner Ankunft in Havanna als »Zeichen für den Sieg einer Kultur des Dialogs«. Noch auf dem Flughafen José Martí bat Franziskus Kubas Präsidenten Raúl Castro, dessen Bruder Fidel »den Ausdruck seiner speziellen Achtung und Ehrerbietung zu überbringen«.
Raúl Castro dankte dem Papst für seine Vermittlerrolle bei den Gesprächen mit Washington, wies zugleich aber darauf hin, dass »die grausame, unmoralische und illegale Blockade« den kubanischen Familien noch immer schwere Schäden zufüge. Auf der Fahrt zur Botschaft des Vatikans wurde der Gast in Havannas Straßen von rund 100.000 Menschen begrüßt.
Der 78jährige Argentinier ist nach Johannes Paul II. und Benedikt XVI. der dritte Papst, der die sozialistische Karibikinsel besucht. Am gestrigen Sonntag feierte Franziskus auf dem Platz der Revolution neben dem riesigen Portrait seines Landsmanns Che Guevara vor Hunderttausenden Besuchern die erste von drei Messen in Kuba. Am späten Nachmittag (Ortszeit) stand ein Gespräch mit Präsident Raúl Castro im Palast der Revolution auf dem Programm. Ob er dabei auch mit Revolutionsführer Fidel Castro zusammentraf, war bis zum Redaktionsschluss noch unklar.
Nach dem Besuchsauftakt in Havanna und seinen heutigen Visiten in den ostkubanischen Städten Holguín und Santiago de Cuba fliegt der Papst am Dienstag nachmittag von dort nach Washington weiter. Für Mittwoch steht ein Gespräch mit US-Präsident Barack Obama im Weißen Haus auf seinem Programm, und am folgenden Donnerstag hält Franziskus als erster Papst eine Rede vor dem Kongress.
Dort blockiert bislang noch eine Mehrheit von Abgeordneten die auch von Obama geforderte Beendigung der seit mehr als 55 Jahren gegen Kuba aufrechterhaltenen Handels-, Wirtschafts- und Finanzblockade. Am 27. Oktober steht deshalb in der Generalversammlung der Vereinten Nationen zum 24. Mal in Folge die Forderung Havannas nach deren Aufhebung zur Abstimmung. In den vergangenen Jahren hatten 188 der 193 UN-Mitgliedsstaaten die entsprechende Resolution unterstützt und – bei drei Enthaltungen – lediglich die USA selbst und Israel dagegen gestimmt.
Der Vatikan forderte die USA am Donnerstag zum wiederholten Mal zur Beendigung der Blockade auf. Am Sitz der UN werden am kommenden Freitag die Präsidenten Raúl Castro, der nach New York reisen wird, um an der Versammlung teilzunehmen, und Barack Obama erneut auf Papst Franziskus treffen. Der Pontifex hält dort eine Rede aus Anlass des Gipfels über die Post-2015-Agenda, auf dem erstmals globale Ziele für nachhaltige Entwicklung verabschiedet werden sollen.
Am Montag nächster Woche wird der kubanische Präsident in der Generalversammlung seine erste Rede vor den Vereinten Nationen halten. Für diesen Tag stehen ebenfalls Ansprachen von Barack Obama, Chinas Staatschef Xi Jinping und Russlands Präsidenten Wladimir Putin auf der Tagesordnung.
Eine Woche vor seinem Besuch in New York hatte Raúl Castro am Freitag mit seinem US-amerikanischen Amtskollegen telefoniert. In dem Gespräch ging es laut Agenturmeldungen unter anderem um weitere Schritte im Normalisierungsprozess, die Rolle des Papstes dabei und Möglichkeiten der Kooperation zum Beispiel beim Einsatz von Medizinern in Haiti.
Obama informierte den kubanischen Präsidenten zudem über die am gleichen Tag vom US-Finanzministerium angekündigten weiteren Lockerungen der Wirtschaftssanktionen gegen Kuba. Sie sollen unter anderem für Internet- und Telekommunikationsanbieter, für Investoren und Bankgeschäfte sowie den Schiffsverkehr gelten. Washington will US-Firmen außerdem erlauben, Büros in Kuba zu eröffnen.
Castro betonte die Notwendigkeit des weiteren Abbaus von Restriktionen, die zum Beispiel noch immer den Export kubanischer Waren in die USA beschränken, und unterstrich erneut die Forderung nach vollständiger Aufhebung der Blockade. Bisher hätten die USA Sanktionen nur dort abgebaut, wo es ihrem Ziel eines Systemwechsels im Weg steht, kritisierte Jorge Hernández Martínez, Direktor eines auf US-Fragen spezialisierten Studienzentrums der Universität Havanna am Freitag in Granma, dem Organ des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kubas.
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Volker Hermsdorf
Junge Welt, 21.09.2015