Angela Davis mobilisiert für Mumia
US-amerikanische Bürgerrechtlerin initiiert Postkartenkampagne für die Freilassung des politischen Gefangenen.
Was bei Angela Davis einst geklappt hat, soll auch Mumia Abu-Jamal die Freiheit bringen - eine Postkartenkampagne. Die Aufruferin heißt: Angela Davis.
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Anfang der 70er Jahre gab es in der DDR die Kampagne »1 Million Rosen für Angela«, im Rahmen derer Schulkinder Postkarten mit Blumen bemalten und sie Angela Davis ins Gefängnis schickten. Aufgrund eines konstruierten Vorwurfs wurde die Bürgerrechtlerin 1970 als »Terroristin« festgenommen und verbrachte, von der Todesstrafe bedroht, knapp zwei Jahre in Haft. Diese Postkarten seien einer der Schlüssel gewesen, die ihre Zellentür geöffnet hätten, sagt sie rückblickend. Und diesen Schlüssel möchte sie mit der Aktion »Freedom Postcards« (Freiheitspostkarten) erneut zum Einsatz bringen - um die Freilassung des seit fast 34 Jahren inhaftierten schwer kranken Journalisten Mumia Abu-Jamal durchzusetzen. Als Hommage an die DDR-Postkarten startete sie die Aktion »Bring Mumia Home« (Holt Mumia nach Hause) im vergangenen Herbst in Berlin. Jedem »nd« liegt heute eine dieser Postkarten bei, die entsprechend frankiert (80 Cent) an die aufgedruckte Adresse geschickt werden kann.
»Die von der DDR organisierte Kampagne für meine Freiheit entfaltete nicht nur eine große politische Wirkung, sondern hat mich auch persönlich sehr bewegt und geprägt«, schilderte die emeritierte Professorin vor Jahren im nd-Gespräch. »Wir erhielten aus der DDR mehr Briefe, Postkarten und Banner als aus jedem anderen Land. Jede einzelne dieser Karten brachte mich zum Lächeln. Ich wusste, dass ich dem Staat nicht alleine gegenüberstand. Und obwohl der geschworen hatte, mich dreier Kapitalverbrechen schuldig zu sprechen, gab es in der DDR Schüler und Schülerinnen, die keine Angst davor hatten, sich hinter mich zu stellen.«
Jetzt bittet Angela Davis darum, dass wir uns hinter Mumia Abu-Jamal stellen. Der preisgekrönte Radioreporter und Vorsitzende der Vereinigung schwarzer Journalisten Philadelphias geriet in der Nacht des 9. Dezember 1981 in eine Schießerei, an der eine unüberschaubare Anzahl von Personen, Zivilisten und Polizeibeamte, beteiligt war. Für den Polizisten Daniel Faulkner endete sie tödlich, Mumia brachte sie eine schwere Verletzung ein - und den Vorwurf, Faulkner erschossen zu haben.
Jene Nacht war der Beginn eines jahrzehntelang währenden Justizskandals, geprägt von Rechtsbrüchen. Wie ein roter Faden zieht sich durch ihn bis heute: Rassismus. Beweisstücke und Akten wurden manipuliert, Zeuginnen und Zeugen zu Aussagen gegen Mumia erpresst, eine Zeugin gar für tot erklärt, damit sie in späteren Verfahren nicht von den Anwälten Mumias befragt werden konnte. Von Anfang an wurden Spuren verwischt und nie in eine andere Richtung als Mumia als Täter ermittelt.
Diese Legende wird bis heute aufrechterhalten, obwohl selbst die Gegenseite, die Bezirksstaatsanwaltschaft Philadelphia, seine Unschuld implizit zugab. Sie verzichtete nämlich 2011 auf ihre letzte rechtliche Möglichkeit, die Umwandlung der Todesstrafe in eine lebenslange Haft zu verhindern und damit darauf, die Exekution schlussendlich doch noch durchsetzen zu können. Dabei hatte sie exakt dafür drei Jahrzehnte so erbittert gekämpft.
Mumia Abu-Jamal ist schwer krank. Sowohl eine Diabetes- als auch eine Hepatitis-C-Erkrankung wurden von der Gefängnisleitung und den dortigen Ärzten ignoriert. Der nicht behandelte Diabetes hätte ihm im Frühjahr fast das Leben gekostet: Im März 2015 musste Mumia auf die Intensivstation eines städtischen Krankenhauses verlegt werden, nachdem er ins Koma gefallen war. Erst dort wurde die Krankheit diagnostiziert.
Zudem wurden aufgrund des internationalen Drucks verschiedene Untersuchungen vorgenommen, unter anderem auch mit Blick auf eine mögliche Krebserkrankung. Dabei wurde die besagte Hepatitis-C-Erkrankung diagnostiziert, die mit gängigen Medikamenten behandelbar wäre. Diese Behandlung wird ihm aber verweigert. Sein Anwaltsteam versucht deshalb, sie mittels einer Einstweiligen Anordnung durchzusetzen.
Mumia Abu-Jamal geht es inzwischen gesundheitlich so schlecht, dass er nur noch wenige Stunden hintereinander wach sein kann. Internationale Solidarität ist deswegen notwendiger denn je. Jede Postkarte zählt.
Birgit Gärtner
Neues Deutschland, 16.09.2015