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Schwere Zeiten in Toronto

Kuba bleibt merklich hinter Ergebnissen früherer Panamerikanischer Spiel zurück.




Bevor wir auf die Resultate der kubanischen Athleten zu sprechen kommen, wird vom kanadischen Gastgeber die Rede sein müssen. Die Kanadier haben die Spiele zwar nicht gewonnen (das haben fast schon gewohnheitsmäßig die USA getan), trotzdem waren es zweifelsfrei die Spiele Kanadas.

Ob es die Kubaner auch 2015 wieder schaffen würden, wie jedes Mal seit 1971 zweite Sportnation der westlichen Hemisphäre zu werden, dieses Thema war nach den dritten Tag der Wettbewerbe eigentlich schon durch und verschwand wie von Geisterhand aus dem Diskurs kubanischer Sportreporter. Eine 150prozentige Steigerung in der Goldausbeute des kanadischen Teams gegenüber Guadalajara 2011 pulverisierte Kubas Träume vom 2. Platz im Medaillenspiegel bereits frühzeitig.

Eine sich auf die letzten acht Panamerikanischen Spiele erstreckende Recherche ergab, dass im in Rede stehenden Zeitraum von 32 Jahren eine Zweieinhalbfachung von Siegen gegenüber dem vorigen Ergebnis eines teilnehmenden Landes noch nicht vorgekommen ist. Verdopplungen gab es aber durchaus schon.

Es war auch nicht so sehr der beeindruckende Höhenflug der Kanadier insgesamt, als es vielmehr ihre Zuwachsraten in einzelnen Bereichen waren, die zuweilen Argwohn weckten und von denen einige exemplarisch genannt seien: Im Bahnradfahren z.B. erhöhten sie von einer Goldmedaille 2011 auf nunmehr sechs (plus zwei Silberne und zwei Bronzene). Das "Tempobolzen" der heimischen Athleten war so brutal, dass ihre Konkurrenten gar nicht mehr ernsthaft dagegenhielten. Ein kubanischer Reporter drückte dieses Phänomen mit den Worten aus: "Sie rinden" (Sie geben sich auf). Es gibt kaum einen Sport, der so substanzzehrend ist wie dieser. Der Gedanke an Doping darf einem da schon mal kommen. Im Rudern steigerten sie sich von null Titeln 2011 auf acht 2015, in der Leichtathletik von einem Sieg in Mexiko auf elf Erfolge vor eigener Kulisse.

Wenn etwas an alledem nicht koscher gewesen ist, hätte man ja wohl – hoffentlich – davon erfahren. Wir müssen schlussendlich davon ausgehen, dass Kanada die vier Jahre zwischen den Panamerikanischen Spielen von Guadalajara und den diesjährigen von Toronto zu einer flächendeckenden, praktisch alle Sportarten umfassenden sagenhaften Vorbereitung genutzt hat. Anders als 1999 in Winnipeg, wo man annahm, eine gehörige Portion Cuba-Bashing vor Ort und in den Medien und Subversion mittels Aufforderung zur Fahnenflucht und Bestechung kubanischer Stars durch Profi-Scouts und Schlafentzug durch nächtliche Krawallmacher im Sportlerdorf und und und werde schon automatisch zur Folge haben, dass Kanada Kuba überholt.

Das ging damals gerechterweise schief. Mittlerweile hat sich das zweitgrößte Land der Welt (nach territorialer Ausdehnung) auf die einzig vernünftige Methode besonnen, wie man seinen Gegner die Hacken zeigt, nämlich auf Leistung. 78 erste Plätze gegenüber 30 im Jahr 2011 sprechen eine unmissverständliche Sprache.

Schwergewichtler Erislandy Savón

Schwergewichtler Erislandy Savón holte das erwartete Gold im Boxen
Foto: Ricardo López Hevia

Richer Peréz, Sieger im Marathonlauf

Richer Peréz, sieger im Marathonlauf
Foto: Ricardo López Hevia



36 Goldene gegenüber 58 vor vier Jahren leider auch, und damit sind wir bei der kubanischen Equipe. Bei einer Judo-Reportage lobte der Kommentator Kuba dafür, in allen 14 Klassen geholt zu haben. Aufgeschlüsselt bedeutete das allerdings: drei Gold-, drei Silber- und acht Bronzemedaillen, was bei Olympischen Spielen gewiss ein klasse Ergebnis wäre. Aber bei Panamerikanischen? Ohne die Europäer? Ohne die starken Asiaten? In Guadalajara hatten die kubanischen Judokas zwar nur in 12 von 14 Klassen Medaillen geholt, dafür aber auch die doppelte Anzahl an Siegen eingefahren. Noch deutlicher war der Rückgang beim Ringen. 9 erste Plätze 2011, nur noch 4 in diesem Jahr. Dennoch ist Kuba immer noch die führende Nation bei Kampfsportarten. Im Taekwando gab es sogar Zuwächse zu verzeichnen und dass im Boxen nur noch 6 der 8 Goldmedaillen von 2011 übrig blieben, liegt daran, dass man der Größten der Antillen zwei geklaut hat. Dass Roniel Iglesias seinen Kampf im Weltergewicht (69 kg) verlor, das mit Abstand beste Finale aller zehn Gewichtsklassen, war ein Fehlurteil, aber zumindest musste man auch seinem venezolanischen Gegner zugestehen, dass er boxen kann. Das war im Fall von Kubas 64-kg-Mann Jasnier Toledo völlig anders. Dessen Gegner verdankte seinen Erfolg allein dem Umstand, dass er für die Fahne mit dem Ahornblatt im Ring stand. Es war dies kein Fall von Punktrichterblindheit – hätte doch selbst ein Blinder Jasniers Überlegenheit erkannt! Vielmehr war es ein Akt ethischer Unreife, den Kanadier zum Sieger zu erklären. Die Jubelszenen nach der Urteilsverkündung waren hochnotpeinlich. Das Boxturnier hatte seinen Skandal.

Etwas, das sich zunehmend zum Problem erwächst, ist Kubas Niedergang in den vielen Teamsportarten: Baseball, Softball, Handball, Basketball, Wasserball, Volleyball, Fußball und was der Bälle mehr sind (alles mal zwei genommen, weil es in männlicher und weiblicher Version zur Ausführung kommt) boten reichlich Gelegenheiten, gegen die USA und Kanada Niederlagen zu kassieren, und wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, hat Kuba davon auch nur wenige ausgelassen. Die kubanischen Männer gewannen nicht mal mehr ihren geliebten Baseball und die "Morenas del Caribe", Kubas einst so begeisternde Volleyballfrauen, sind nur mehr ein Schatten ihrer selbst. Half alles nichts. Kubas Sportkanal Tele Rebelde übertrug unverdrossen einen Mannschaftswettbewerb nach dem anderen. Einmal ging es um das Ausspielen des 5. und 6. Platzes im Rasenhockey. Da weckt der sprichwörtliche Sack Reis der in Peking umfällt, mehr Interesse.

Dayaris Mestre

Dayaris Mestre kann ihr Glück kaum fassen: Gold in der 48kg Klasse im Judo
Foto: Ricardo López Hevia

Yarisley Silva

Yarisley Silva siegte im Stabhochsprungyarisley-silva.jpg mit tollen 4,85 m
Foto: Ricardo López Hevia

Judoka Idaly Ortiz

Die Judoka Idaly Ortiz siegte
in der Kategorie über 78 kg

Dayaris Mestre

Denia Caballero gewann Gold im Diskuswurf



Die "Königin der Sportarten", die Leichtathletik, bot überwiegend Erfreuliches, wenn auch auf quantitativ geringerem Niveau: 18 Titeln von vor vier Jahren standen diesmal nur noch 5 gegenüber. Dafür hielt sich, wie bereits erwähnt, Kanada mit elf schadlos, das in Mexiko lediglich eine Goldene (in Ziffern 1) aufzuweisen gehabt hatte.

Yarisley Silva gelang nach der veritablen Achterbahnfahrt ihres bisherigen Saisonverlaufs ein toller Sieg im Stabhochsprung mit 4,85 m, wobei sie die Olympiamonarchin von London 2012, Jennifer Suhr aus den Vereinigten Staaten, und die amtierende Weltmeisterin Fabiana Murer aus Brasilien klar hinter sich ließ. Warum allerdings ihr männliches Pendant Lazaro Borges, schon einmal mit knapp unter 6 m Vizeweltmeister, diesmal sang- und klanglos mit 5,60 m ausstieg, bleibt rätselhaft.

Es gab einen (nicht ganz unerwarteten) Doppelsieg der kubanischen Diskuswerferinnen Denia Caballero mit 63,39 m und Yaimé Pérez mit 64,99 m sowie eine Silbermedaille im Hammerwerfen der Männer durch Roberto Janet.

Kubas nagelneuem 18 m Mann im Dreisprung, Pedro Pablo Pichardo genügte in Toronto ein guter, aber nicht herausragender Sprung von 17,54 m zum Gewinn des Titels. Ernesto Revé holte Bronze.

In den frühen Morgenstunden des vorletzten Wettkampftages gewann Richer Pérez den Marathon. Bei den 42 Kilometern aufzutrumpfen, gelingt Kuba in unregelmäßigen Abständen immer wieder mal.

Sehr schön auch der Sieg der erst 20jährigen Yargelis Rodríguez im Siebenkampf. Sie hatte bereits nach dem ersten Tag nach Punkten in Führung gelegen, musste dann allerdings in der Abschlussdisziplin des zweiten Tages, dem 800 m Lauf, ziemlich "beißen", damit ihre US-Konkurrentin Heather Miller nicht zu weit enteilte. Ihr Teamkamerad, der wesentlich bekanntere Zehnkämpfer Leonel Suárez, hatte im Stabhochsprung einen "Salto Nullo" hingelegt (so nennt man es unter Athleten scherzhaft, wenn ein Springer überhaupt keinen gültigen Versuch hat) und war ohne jeden Punkt in dieser Disziplin natürlich aus der Wertung gefallen. Aber Leonel war auch gesundheitlich nicht auf der Höhe gewesen. Ihn hatte eher das Pflichtgefühl in diesen Wettkampf getrieben.

Völlig überraschend kam die Silbermedaille (die um ein Haar eine Goldene geworden wäre) in der 4 mal 400 m Staffel der Männer. Alle verausgabten sich total, aber der Schlussläufer war überirdisch.

Es gibt auch diesmal eine Fülle kubanischer Medaillengewinner, die nicht namentlich erwähnt wurden, aber einer ist da, der es verdient besonders gewürdigt zu werden: der Kunstspringer José Antonio Guerra, der mit seinem Partner Jeinkler Aguirre Gold im Parallelspringen vom 10 m Turm holte. Guerra ist mittlerweile fast 36 und das bisher beste Ergebnis in seiner langen Karriere war ein 5. Platz in einem olympischen Einzelwettbewerb gewesen. Es gibt wohl keinen Sportbegeisterten in Kuba, der dem sympathischen Athleten sein gewonnenes panamerikanisches Edelmetall nicht von Herzen gegönnt hätte.

Marcia Videaux

Die erst 16jährige Marcia Videaux gewann den Pferdsprung im Kunstturnen
Foto: Mónica Ramírez


Manrique Larduet ist seit Eric López (vor übe 15 Jahren) der erste kubanische Kunstturner, der wieder einmal einen Sieg bei Panamerikanischen Spielen holte. Er hätte allerdings nicht nur die Einzeldisziplin Pferdsprung, sondern auch die Universalwertung gewinnen müssen. Der US-Turner, der darin mit hauchdünnem Vorsprung Gold erhielt, ging unmittelbar nachdem Manriques abschließende Reckübung bewertet worden war, zu diesem hin und sprach ihn mit Verzeihung heischender Mine an. "Sorry, aber ich vergebe die Punkte nicht" oder irgendetwas Ähnliches könnte er gesagt haben.

Kuriositäten am Rande? Für mich gab es zwei, beide bei Siegerehrungen:



Erstens die brasilianische Gewinnerin über 5.000 m, Juliana Dos Santos, die bei der Hymne ihres Landes derart in sich versunken war, dass sie es versäumte, militärisch ihre Fahne zu grüßen, was alle mit Medaillen dekorierten Landsleute – vermutlich auf eine Weisung hoher Funktionäre hin – getreulich taten. Die Langstrecklerin war sichtlich vom eigenen Glücksgefühl so überwältigt, dass sie es wohl schlicht vergessen hatte.

Zweitens Roniel Iglesias und sein Finalgegner Gabriel Maestre aus Venezuela. Vor, auf und nach dem Treppchen rekapitulierten beide noch so intensiv ihren Kampf, dass sie kaum wahrzunehmen schienen, was um sie herum geschah. Roniel, der unmittelbar nach dem Urteil noch ungläubig gelacht hatte, nahm seine Niederlage nun mit Humor und sein Kontrahent hatte sowieso allen Grund zum Strahlen. Es hat nicht viel gefehlt, und die beiden hätten das Abspielen der Hymne verquasselt.

Pedro Pichardo

Pedro Pichardo brauchte diesmal keine 18,06 m, um den Dreisprung zu gewinnen


Marlies Mejías

Marlies Mejías brachte das Kunsstück fertig, je eine Medaille im Bahnradfahren und auf der Straße zu erringen

Yorgelis Rodríguez

Die erst 20jährige Yorgelis Rodríguez holte die Geoldmedaille im Siebenkampf



Die Kanadier haben also 78mal Gold geholt (eigentlich 77mal, wenn man die Witzmedaille ihres Meisterboxers einmal wegnimmt). Damit ist Kanada zur großen Sportnation geworden – fast auf Augenhöhe mit den USA.

Zumindest stimmt das für den Moment. Dass der kanadische Goldrausch von Nachhaltigkeit geprägt sein wird, darf füglich bezweifelt werden. Zu sehr scheint alles punktgenau auf dieses regional und zeitlich begrenzte Großereignis ausgerichtet gewesen zu sein, als dass sich Kanada dort oben auf Dauer etablieren könnte. Wenn seine Athleten nämlich nicht ihre 78 Goldmedaillen hegen und pflegen – oder besser gesagt die Trainingsleistungen, die zu ihnen führten -, dann sind sie in vier Jahren (in Perus Hauptstadt Lima, dem nächsten Ausrichter) womöglich wieder bei den 30 von vor vier Jahren. Das geht ganz schnell, wenn man nicht aufpasst. Die Nation, von der eher befürchtet werden muss, dass sie sich langfristig vor Kuba festsetzen könnte, ist Brasilien. Dass sich das Land diesmal vor Kuba platzierte, ist man versucht, dem Umstand zuzuschreiben, dass die Olympischen Spiele von Rio nicht mehr weit sind. Die Brasilianer sind nämlich schon seit geraumen acht Jahren dabei, sich auf ziemlich hohem Niveau zu stabilisieren.

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Ulrich Fausten

Granma Internacional, 15.08.2015