»Wir müssen unsere Identität verteidigen«
Wie wird sich Kuba kulturell verändern, wenn die USA kommen? Ein Gespräch mit Eduardo Sosa Laurencio.
Eduardo Sosa Laurencio ist kubanischer Liedermacher. Er diskutiert am heutigen Samstag auf der »Fiesta de Solidaridad« von Cuba Sí in Berlin über das Verhältnis von Kultur und Revolution in Kuba
Kuba und die USA versuchen, ihre Beziehungen zu normalisieren. Welche Auswirkungen wird dieser Prozess auf die Kultur haben, insbesondere in der Musik?
Wir befanden uns sehr lange in offener Konfrontation, und jetzt müssen wir, einfach gesagt, miteinander zurechtkommen. Ich glaube aber nicht, dass man Angst davor haben muss, dass die US-Amerikaner kommen. Sie waren die ganze Zeit da – das kubanische Fernsehen strahlt acht nordamerikanische Serien pro Tag aus, auf verschiedenen Kanälen. Das Wichtigste ist doch die Frage, ob sich der Lebensstandard der Menschen etwas verbessert. Als Musiker will ich die kubanische Musik verteidigen und bekanntmachen. Wir haben ja nicht nur den »Buena Vista Social Club«. Dieses Album ist das erfolgreichste Kubas – und übrigens niemals in unserem Land verkauft worden. Denn die Rechte gehören dem nordamerikanisch-britischen Label World Circuit. Vielleicht läuft das in Zukunft etwas anders.
Wie sah denn bisher der kulturelle Einfluss der USA aus?
Politik und Ideologie waren auf Kuba vor dem US-Einfluss besser geschützt als die Kultur. Ich achte bei US-Liedern auf die Musik, aber doch pflanzen sie einem den American Way of Life ins Gehirn. In der Musik haben die USA weltweit einen gewaltigen Einfluss. Es entstanden bei uns neue Ausdrucksformen, die auf Strömungen aus den USA beruhten, beispielsweise im Jazz der 40er Jahre. Man darf aber nicht vergessen, dass Kuba ein Land ist, das sich unter verschiedenen internationalen Einflüssen entwickelt hat. Wir haben eine eigene kulturelle Identität gewonnen.
Wird die eine Rolle spielen bei der Verteidigung der Revolution?
Die Kultur ist das, was Kuba an sich bewahren wird. Damit meine ich aber nicht nur Musik oder Kunst. Kultur ist nicht nur zur Unterhaltung da, sie steckt in allem – in Gemälden oder Brötchen mit gegrilltem Schweinefleisch. Ein solches traditionelles Gericht vergessen die Menschen als erstes, wenn sie 50 Jahre später bei McDonalds essen wollen. Das beunruhigt mich, aber bei der Musik ist das anders. Dass die Nordamerikaner kommen, wird sie bereichern. Die Kubaner wollen jetzt zeigen, wer sie wirklich sind. Es wird sich zeigen, dass viele Leute, die heute Rock und Pop spielen, kubanische Musik machen wollen.
Was sind jetzt wichtige Schritte für die kubanische Kulturpolitik?
Das Wichtigste ist, unsere Identität zu verteidigen. Auf uns kommt natürlich eine riesige Welle zu, nicht nur aus Nordamerika. Wir sind schließlich gerade ein bisschen in Mode. Wir wollen all diese neuen Einflüsse aufsaugen, aber in diesem Integrationsprozess dürfen unsere Wurzeln nicht verlorengehen. Es gibt etwa Förderprogramme des Kulturministeriums für bestimmte Musik – Rumba oder Trova zum Beispiel. Das muss verstärkt werden. Wenn ein Land seine Kultur verliert, existiert es nicht mehr.
Welche Rolle spielt die traditionelle Musik noch, vor allem unter Jugendlichen?
Sie ist weder die am meisten gehörte noch die am meisten gespielte in den Medien. Dennoch wird sie permanent den Touristen präsentiert, manchmal von ihrer schlechtesten Seite. Das Interesse an unseren Ursprüngen ist in den jüngeren Generationen etwas geringer geworden. Vielleicht blicken die Menschen mit dem Öffnungsprozess wieder mehr nach innen, sei es aus Prinzipientreue oder Geschäftemacherei.
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Interview: Lena Kreymann
Junge Welt, 25.07.2015