Die Blockade brechen
Nach der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den USA und Kuba geht es jetzt um die Durchsetzung der Normalität.
Nachdem am Montag die kubanische Flagge vor der Botschaft des Landes in Washington gehisst wurde, will US-Außenminister John Kerry eine entsprechende Zeremonie in Havanna am 14. August vollziehen. Die Wiederaufnahme der am 3. Januar 1961 einseitig von den USA abgebrochenen diplomatischen Beziehungen zur sozialistischen Karibikinsel war am Montag und Dienstag weltweit als »historisches Ereignis« begrüßt worden.
Mit Beginn des 20. Juli 2015 hatten die bisherigen »ständigen Interessenvertretungen« Kubas und der USA in den jeweiligen Hauptstädten zunächst auf ihren Internetseiten die nun offizielle Bezeichnung »Botschaften« eingeführt. In Washington ertönte gegen 10.30 Uhr (Ortszeit) die kubanische Nationalhymne, und eine weiß uniformierte Ehrengarde der revolutionären kubanischen Streitkräfte zog vor dem historischen Gebäude in der 16. Straße in Anwesenheit von Außenminister Bruno Rodríguez und zahlreichen Gästen die Landesflagge auf.
Im Anschluss daran war Rodríguez von seinem Amtskollegen John Kerry zum Gespräch im State Department empfangen worden. Danach traten beide Außenminister vor die Presse. Zunächst betonten sie übereinstimmend das Interesse ihrer Regierungen an einer weiteren Normalisierung. Dann wies Rodríguez jedoch darauf hin, dass das größte Hindernis dafür, die von den USA noch immer gegenüber Kuba aufrechterhaltene völkerrechtswidrige Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade sei. Solange diese nicht beendet werde, könne es keine normalen Beziehungen zwischen Kuba und den USA geben, sagte Rodríguez. Zudem wiederholte er Kubas Forderung nach Rückgabe des von den USA besetzten Gebietes in der Bucht von Guantánamo und nannte weitere Bedingungen seiner Regierung. Kerry erklärte dazu, dass Präsident Obama den Kongress »sehr deutlich« zur Beendigung der Blockade aufgefordert habe und er selbst hoffe, dass dieser Schritt »bald« erfolge. Die Rückgabe des besetzten Gebietes in der Bucht von Guantánamo sei dagegen »im Moment« für die USA kein Diskussionspunkt, sagte Kerry.
Während das »historische Ereignis« von Regierungen und Politikern im Ausland teilweise euphorisch begrüßt wurde, war das Echo in den USA unterschiedlich. Der Ex-Gouverneur von Florida und republikanische Präsidentschaftskandidat, Jeb Bush sowie der demokratische Senator Bob Menéndez aus New Jersey, griffen Obamas Politik gegenüber Kuba scharf an. »Die diplomatischen Beziehungen zu den USA sind ein Privileg, das man sich verdienen muss«, zitiert die in Miami erscheinende Tageszeitung Nuevo Herald Menéndez. Der als rechtslastig geltende Senator kritisierte weiter, dass die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen lediglich »die Brutalität des castristischen Regimes« belohne und verlangte statt dessen einen Systemwechsel in Kuba. Der demokratische Kongressabgeordnete Raúl Grijalva aus Arizona, der republikanische Senator Jeff Flake aus dem gleichen Staat und eine Reihe weiterer Politiker machten sich dagegen für die Aufhebung der Blockade, die sofortige Genehmigung von touristischen Kuba-Reisen für US-Bürger sowie einige von ihnen auch für die Rückgabe des besetzten Gebietes in Guantánamo stark. Die einflussreiche New York Times warf am Montag die Frage auf, wann die Sanktionen, »die Kubas Wirtschaft behindern«, endlich aufgehoben würden. Auch Hunderte Bürger in Washington und sogar etliche in Miami demonstrierten für die Beendigung der Blockade. In Florida unterstützt – Umfragen zufolge – mittlerweile eine Mehrheit der exilkubanischen Gemeinde den Obama-Kurs. Wie der Nuevo Herald berichtete, protestierten vor dem bekannten Contra-Treffpunkt »Restaurant Versailles« in der »Calle Ocho« am Montag lediglich 30 Personen gegen die Eröffnung der kubanischen Botschaft. Seine Leute, wird ein Héctor Wilson von der Contragruppe »Vigilia Mambisa« zitiert, seien »entmutigt und müde«.
Aus Caracas würdigte Venezuelas Präsident Nicolás Maduro das Ereignis bereits am Vormittag per Twitter als »historischen Akt«. Laut Nachrichtenagentur AVN rief Maduro dazu auf, »jetzt für die Beendigung der kriminellen Blockade gegen Kuba« zu kämpfen und »für die Überwindung einer Politik der Einmischung in unserer Region«.
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Volker Hermsdorf
Junge Welt, 22.07.2015