»Pressekonferenzen unüblich«
Kubanische Tatsachen spielen für deutsche Medien eine geringe Rolle.
Eine ganze Armada vom Auswärtigen Amt sorgfältig ausgewählter Journalisten durfte Frank-Walter Steinmeier auf seinem Flug nach Havanna begleiten, um sich dort selbst ein Bild zu machen. Trotz dieser Möglichkeit verbreiteten einige bundesdeutsche Leitmedien offenbar gezielt falsche Behauptungen über das Gastgeberland. Stichwortgeber waren dabei auch einschlägig bekannte Gruppen wie die »Internationale Gesellschaft für Menschenrechte« (IGFM) oder »Reporter ohne Grenzen« (RSF).
Die erste Fehlinformation veröffentlichten nahezu alle Agenturen bereits am Tag der Abreise. Sie zitierten Steinmeiers Pressesprecher Martin Schäfer mit der Aussage, ein Treffen mit »den Castros« sei nicht vorgesehen. Tatsächlich hatte Schäfer am Mittwoch in Berlin gesagt, dass sein Chef vermutlich nicht von Revolutionsführer Fidel Castro empfangen werde. Das Gespräch mit Präsident Raúl Castro war für diejenigen, die der Agenturente aufgesessen waren, dann eine Überraschung.
Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtete am Donnerstag deren Hauptstadtkorrespondent Majid Sattar unter der Ortsangabe Berlin über den ersten Tag Steinmeiers in Havanna und bedauerte, dass der Gast keine »prominenten Regimekritiker« treffe. Außerdem erfuhren die FAZ-Leser von ihm: »Auch die Möglichkeit, sich an der Seite der Kubaner öffentlich zu äußern, wird es nicht geben: Pressekonferenzen gelten auf der sozialistischen Karibikinsel als unüblich.« Jeder, der als Journalist in Havanna tätig war, weiß, dass dort Dutzende kubanische und ausländische Kollegen von einer Pressekonferenz zur nächsten eilen und trotzdem oft nicht alle Termine schaffen. Tatsachen und journalistische Standards hatten im Zusammenhang mit der Kuba-Reise des Bundesaußenministers bei der FAZ ohnehin untergeordneten Stellenwert. So veröffentlichte das Blatt vorab am 7. Juli – ohne Überprüfung der Fakten – ein Telefoninterview mit Systemgegner Antonio Rodiles, der vorgab, von »der kubanischen Staatssicherheit« verprügelt worden zu sein. Die Zeitung verschwieg jedoch, vermutlich aus gutem Grund, die Quelle ihrer Information. Sie besteht allein aus einer am 6. Juli in Frankfurt am Main veröffentlichten Mitteilung der rechtslastigen IGFM. Dort wird unter anderem auch behauptet, dass in Kuba, »vom Parteiorgan abgesehen, (…) alle Tageszeitungen verboten« seien.
Für Springers Bild durfte deren Redakteur Rolf Kleine im Tross des Außenministers mitreisen. Der Autor beschrieb am 16. Juli (laut Bild zu diesem Zeitpunkt noch »unterwegs nach Havanna«) bereits die Probleme der Telekommunikation in Kuba: »Telefon geht – SMS manchmal auch. Und Schluss. Wer mobil im Internet surfen will, der wird sich wundern: Der Aufruf zum Beispiel einer Seite wie der von Bild kostet zwischen 40 und 50 Dollar.« Kuba-Besucher wissen, dass dies gelogen ist. Das Blatt spekuliert darauf, dass die meisten seiner Millionen Leser nicht die Möglichkeit haben, sich auf Kuba selbst zu informieren. Tatsächlich gibt es Schwierigkeiten mit dem Internet auf der Insel. Einen der Gründe dafür benannte US-Präsident Barack Obama in seiner Rede am 17. Dezember 2014 mit den Worten: »Bedauerlicherweise haben unsere Sanktionen dazu geführt, dass wir den Kubanern den Zugang zu Technologien unmöglich machten, von denen sonst alle rund um den Globus profitieren.« Wie die Mehrzahl der bundesdeutschen Medien verschweigt das Boulevardblatt diesen Hintergrund und präsentierte eine – zwar falsche –, aber besser ins antikommunistische Weltbild passende Erklärung. »Generell stößt alles, was funkt, sendet und empfängt auf das Misstrauen der Führung in Havanna – die alten Herren stehen mit dem ›Neuland‹ tatsächlich auf Kriegsfuß«, fabulierte der Autor bereits auf dem Weg nach Havanna. Die Quelle seines Wissens verrät der Bild-Redakteur nicht. Es ist jedoch auffällig, dass die auch von der US-Agentur »National Endowment for Democracy« (NED) und kubanischen Contragruppen finanzierte Organisation »Reporter ohne Grenzen« am gleichen Tag eine Pressemitteilung veröffentlichte, in der es heißt: »Der Zugang zum Internet wird scharf kontrolliert und ist für die meisten Kubaner unerschwinglich.« Exakt die von Bild verbreitete Botschaft.
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Volker Hermsdorf
Junge Welt, 20.07.2015