Magere Resultate
Bislang verhinderte die Bundesrepublik bessere Beziehungen zwischen EU und Kuba. Auch nach dem Besuch des deutschen Außenministers in Havanna ist offen, ob sich das ändert.
Nach seiner 30stündigen Kuba-Visite, die schon vorab inflationär mit dem Begriff »historisch« aufgewertet worden war, ist Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) am Sonnabend wieder in Berlin gelandet. Obwohl die Ergebnisse den hochgesteckten Erwartungen nicht gerecht wurden, ist die Reise doch ein Signal. Offenbar sucht der deutsche Chefdiplomat nicht nur bessere Kontakte zu Havanna, sondern ist auch bereit, die Bremserrolle der Bundesrepublik bei den Verhandlungen über eine Normalisierung der Beziehungen zwischen der EU und Kuba aufzugeben. Ob Steinmeier sich damit durchsetzen oder vom Koalitionspartner CDU/CSU ausgebremst werden wird, ist derzeit allerdings noch offen.
Außer gutem Willen und aus informativen Gesprächen gewonnenen Erkenntnissen hat der Außenminister nicht gerade viel von der sozialistischen Karibikinsel mitgebracht. Immerhin haben die Vertreter der beiden Länder am Donnerstag zwei Rahmenabkommen unterzeichnet, die einen Auf- und Ausbau der politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit ermöglichen sollen. Kulturschaffende hoffen, dass auf deren Basis endlich der Abschluss eines bereits seit Jahren angestrebten Kulturabkommens erfolgen kann. Auch von der Eröffnung eines Goethe-Instituts in Havanna ist die Rede, und bundesdeutsche Unternehmer machen sich für ein Kontaktbüro in Kuba stark, das Handel und Investitionen erleichtern soll. In einem knapp zweistündigen Gespräch mit Steinmeier, das im Gebäude des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei stattfand, unterstrich Präsident Raúl Castro Kubas Interesse an besseren Beziehungen zur Bundesrepublik. Deutsches Know-how sei auf der Insel auch als Gegengewicht zu den erwarteten Avancen aus den USA hochwillkommen. Gefragt sind besonders die Erfahrungen bei der Erneuerung der Infrastruktur, in der Medizintechnik und der Energiegewinnung, aber auch Kooperationen im Bergbau und der Nahrungsmittelindustrie.
Auch an einem offenen Dialog über Menschenrechte, sofern er auf Augenhöhe und unter Respektierung der Souveränität beider Beteiligter stattfindet, ist Kuba durchaus interessiert. Nicht akzeptiert werden jedoch die Einmischung in innere Angelegenheiten, die Unterstützung von militanten Verfassungsfeinden oder einseitige Belehrungen durch Vertreter eines Landes, dem Menschenrechtsorganisationen Diskriminierung von Minderheiten, Rassismus und menschenverachtenden Umgang mit Flüchtlingen attestieren. Die dezent plazierte, aber erkennbare Botschaft Kubas an die deutsche Politik und Wirtschaft lautet: Wer bessere politische, kulturelle und wirtschaftliche Beziehungen und eine gleichberechtigte Partnerschaft anstrebt, wird mit offenen Armen willkommen geheißen. Wer aber weiterhin vor allem einen Systemwechsel forcieren will, beißt auf Granit und wird scheitern.
Doch genau dies scheinen einige kalte Krieger anzustreben. Obwohl die Vertreter der vier Bundestagsfraktionen wegen einer kurzfristig verhängten Reisesperre nicht mitgenommen worden waren, äußerten sich deren Obmänner im Auswärtigen Ausschuss. Eindeutig positiv positionierte sich nur Wolfgang Gehrcke (Die Linke). »Die Kubaner werden sich nicht ausplündern lassen«, gab er sich optimistisch und meinte in Richtung des ihm persönlich bekannten Fidel Castro: »Danke, dass es die Insel der Freiheit gibt.« Niels Annen (SPD) lobte als Sozialdemokrat artig die Reise seines Parteifreundes, verwies in Bezug auf Kuba dann aber pflichtgemäß auf »Differenzen bei Fragen der Menschenrechte«. Auch der Grüne Omid Nouripour betonte vor allem seine Sorge um »die Menschenrechte auf Kuba« und sagte: »Ich hoffe hier auf Wandel durch Annäherung.« Richtigen Gegenwind erhielt Steinmeier vom Vertreter seiner Koalitionspartner. »In Kuba ist gar nichts gut«, stänkerte Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) im Deutschlandfunk und offenbarte dann seine Erwartungen an die bundesdeutsche Kuba-Politik: »Kuba ist vor dem Zerfall, und bevor Kuba endgültig dem Chaos anheimfällt, (...) ist es ein sehr gutes Zeichen, doch mitzuhelfen, dass dieses Land eine neue Perspektive bekommt.«
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Volker Hermsdorf
Junge Welt, 20.07.2015