Steinmeier reiht sich in Kuba ein
Nach Spanien, den Niederlanden und Frankreich schickt auch Deutschland seinen Außenminister auf die Insel.
Als erster bundesdeutscher Außenminister überhaupt wird Frank-Walter Steinmeier ab Donnerstag Kuba besuchen. Wegen der Atomverhandlungen mit Iran war die Reise zweimal verschoben worden.
Deutschland versucht, auf den bereits fahrenden Zug aufzuspringen. Seit US-Präsident Barack Obama im Einvernehmen mit Kubas Präsident Raúl Castro Mitte Dezember die Neuausrichtung der US-Kuba-Politik verkündete, hat dies eine regelrechte Lawine an Investitionsvorhaben, Geschäftsabschlüssen und Besuchen von Politikern und Unternehmern aus aller Welt auf der Karibikinsel ausgelöst. Nun hat sich für den 16. und 17. Juli Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) angesagt. Auf dem Programm von Steinmeiers zweitägigem Aufenthalt in der Hauptstadt Havanna stehen Treffen mit Außenminister Bruno Rodriguez sowie weiteren Kabinettsmitgliedern. Begegnungen mit Staatschef Raúl Castro und dessen Bruder, dem einstigen »Revolutionsführer« Fidel Castro, sind nach Angaben des Auswärtigen Amtes bisher nicht geplant.
Steinmeier tritt quasi in die Fußstapfen des damaligen Bundeswirtschaftsministers Werner Müller (SPD). Der war im Jahr 2001 nach Kuba gereist und dabei sogar vom damaligen Präsidenten Fidel Castro empfangen worden. Ein Jahr zuvor stattete die seinerzeitige Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) der Karibikinsel einen Besuch ab.
Während zwischen Kuba und der DDR enge Beziehungen bestanden, ist das Verhältnis zwischen Berlin und Havanna nach 1990 erheblich abgekühlt. Erst im Jahr 2000 wurde die Frage der kubanischen Altschulden gegenüber der DDR in einem Umschuldungsabkommen geregelt. Die offizielle Entwicklungszusammenarbeit ist seit 2003 auf Eis gelegt, ebenso ein bereits ausgehandeltes deutsch-kubanisches Kulturabkommen - eine Reaktion auf die Verhaftung von 75 Systemoppositionellen in Kuba und deren Verurteilung zu langjährigen Haftstrafen im März 2003. Sie kamen 2010 auf Vermittlung der katholischen Kirche wieder frei - ein wichtiger Schritt für eine Wiederannäherung zwischen der EU und Kuba.
»Wenn der Bundesaußenminister zu einem offiziellen Besuch nach Kuba reist, ist das faktisch das O.K. für die Normalisierung der Beziehungen«, sagt Michael Leutert, Haushaltspolitiker der LINKEN im Bundestag. Andere Staaten sind allerdings schon weiter. Der französische Präsident François Hollande hatte Kuba im Mai besucht, Ende März weilte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini in Havanna und Steinmeiers Amtskollegen aus Spanien, den Niederlanden oder Frankreich waren schon lange vor ihm auf Kuba. Deutschland gehörte in der Vergangenheit neben osteuropäischen Ländern wie Polen und Tschechien in der EU zu den Bremsern einer Annäherung an Kuba. Bis heute bestimmt die sogenannte »Gemeinsame Position« die Kuba-Politik der EU. Diese war 1996 auf Betreiben der damaligen rechtskonservativen spanischen Regierung unter José María Aznar verabschiedet worden. Sie macht eine Normalisierung der Beziehungen zwischen der EU und Kuba von Fortschritten Kubas bei Menschenrechten und Demokratie abhängig. Heute ist es vor allem Spanien, das EU-Land mit den engsten wirtschaftlichen Beziehungen zu Kuba, das auf eine Annäherung drängt. Derzeit 18 EU-Mitgliedsstaaten haben bilaterale Abkommen mit Kuba geschlossen; Deutschland gehört nicht dazu.
Seit April 2014 verhandeln die EU und Kuba zudem über eine Verbesserung der gegenseitigen Beziehungen. Die letzte von bisher vier Gesprächsrunden fand Mitte Juni in Brüssel statt. Bis Ende des Jahres sollen die Bedingungen für ein Kooperationsabkommen zwischen beiden Seiten geschaffen sein. Die Gespräche verliefen vielversprechend, hieß es unisono. Ende Juni, ebenfalls in der belgischen Hauptstadt, fand zudem ein Dialog über Menschenrechte statt.
Wenige Tage zuvor, auf dem EU-CELAC-Gipfel in Brüssel, waren Steinmeier und sein kubanischer Amtskollege Bruno Rodríguez Parrilla zusammengekommen. Dabei war auch die Einladung nach Kuba erfolgt. »Wir haben über die Notwendigkeit gesprochen, Möglichkeiten zu finden, die Entwicklung der gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen zu erleichtern, trotz der Probleme im Zusammenhang mit der US-Finanzblockade gegen Kuba«, sagte Rodríguez und betonte, die »Aktualisierung des ökonomischen Modells Kubas« sei auch eine Chance für deutsche Unternehmen.
Steinmeiers Besuch soll unter anderem den deutschen Unternehmen diplomatisch den Weg ebnen.
Andreas Knobloch, Havanna
Neues Deutschland, 16.07.2015