Hammer und Sichel für den Papst
Franziskus zu Besuch in Bolivien: Koka-Blätter gegen Höhenkrankheit und Kritik am Kapitalismus.
Papst Franziskus ist nach seinem Besuch Ecuadors am Mittwoch (Ortszeit) in Bolivien eingetroffen. Er landete auf dem Flughafen im 4.000 Meter hoch gelegenen El Alto, wo ihn Zigtausende begeistert empfingen. Da der Pontifex offenkundig von der ungewohnten Höhe geschwächt war, überreichte ihm Boliviens Präsident Evo Morales nach einer Umarmung einen Beutel mit Koka-Blättern, die gegen die Höhenkrankheit helfen sollen. Später überreichte der Staatschef dem Kirchenmann weitere Geschenke, unter anderem ein aus Hammer und Sichel gebildetes Kruzifix.
Entlang der 15 Kilometer langen Route des Papamobils herunter zum auf 3600 Meter gelegenen Regierungssitz La Paz hatten die Menschen teilweise in Zelten übernachtet, um einen Blick auf den Papst zu erhaschen. Der Tag war zum Feiertag erklärt worden, überall sangen die Menschen »Franziskus, Willkommen in La Paz«.
Kurz nach seiner Ankunft hielt Franziskus in der Kathedrale von La Paz eine stark politisch geprägte Ansprache, in der er unter anderem betonte: »Wenn sich die Politik von der Finanzspekulation beherrschen lässt oder die Wirtschaft sich nur nach dem technokratischen und utilitaristischen Paradigma der maximalen Produktion richtet, dann wird man auch die großen Probleme, welche die Menschheit betreffen, nicht verstehen, geschweige denn lösen können. Es ist auch die Kultur vonnöten, zu der nicht nur die Entwicklung der intellektuellen Fähigkeiten des Menschen in der Wissenschaft und die Fähigkeit, in der Kunst Schönheit zu schaffen, gehören, sondern auch die örtlichen Volkstraditionen – auch das ist Kultur! – mit ihrer besonderen Sensibilität für die Umwelt, aus der sie hervorgegangen sind und der sie Sinn verleihen. Gleichermaßen braucht es eine ethische und moralische Bildung, die zu einer Haltung der Solidarität und der Mitverantwortung unter den Menschen erzieht.«
Präsident Morales würdigte den Papst als Verbündeten im Kampf gegen Armut und Ausgrenzung und nannte ihn »Bruder«, ebenso wie das Oberhaupt der katholischen Kirche den Staatschef in seiner Ansprache als »Bruder Präsident« anredete. Der Andenstaat Bolivien hat im Zuge der Verstaatlichung des Erdgassektors deutliche Schritte nach vorn zum Beispiel zur Verbesserung von Infrastruktur und Gesundheitsversorgung gemacht und wies zuletzt ein Wirtschaftswachstum von rund fünf Prozent auf.
Nach der Weiterreise in die im Tiefland gelegene größte Stadt Boliviens, Santa Cruz, steht dort am heutigen Donnerstag eine Messe auf dem Programm, zu der eine Million Menschen erwartet werden, darunter auch tausende Katholiken aus der argentinischen Heimat. (dpa/jW)
Die vollständige Rede des Papstes in La Paz bei Radio Vatikan: Hier klicken:
http://de.radiovaticana.va/news/2015/07/09/papst_franziskus_trifft_staat_und_gesellschaft_boliviens/1156921
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Junge Welt, 10.07.2015