Mit der Kultur des Seins den Kulturkrieg gewinnen
Redebeitrag bei dem von der Martianischen Jugend organisierten "Dialog der Generationen"
Die Wahrnehmung des Subversionsproblems ist komplex und es ist notwendig, es von der Dimension eines Kulturkriegs aus zu bewerten. Zuerst muss man den Feind identifizieren, den wir irrtümlicherweise auf ein Land reduzieren. Wir erlangten die Unabhängigkeit zu genau der Zeit, als der Kapitalismus von seiner Anfangsphase auf die imperialistische überging. Der Kapitalismus ist ein System fortgesetzter Ausdehnung von Territorien und Märkten. Der Erste und der Zweite Weltkrieg wurden durch interne imperialistische Dispute über die Aufteilung der Welt hervorgerufen. Der US-Kapitalismus eroberte in dem Maße, in dem er sich ausdehnte, Gebiete im Westen und radierte die einheimischen Kulturen aus, um sich später mehr als die Hälfte des mexikanischen Gebiets anzueignen. Der historische Konflikt Kubas mit dem Imperialismus beruht nicht auf einer pathologischen Obsession jenes Landes mit unserem oder weil wir eine schönere Landschaft oder Erdöl haben, das wir ja nicht haben, noch auf Gefühlen des Neides oder weltlichen Ehrgeizes, sondern er wohnt dem Kapitalismus an sich inne.
Der Feind des Kubas, das wir aufbauen, ist der Kapitalismus und, in einem historisch konkreten Sinn, der Imperialismus. Der Krieg, den wir austragen, beinhaltet die Wahrnehmung und die Errichtung von unterschiedlichen Lebensstilen und Konzepten, was Glück bedeutet, die dem Kapitalismus entgegenstehen, ihn ablehnen. Und die des Kapitalismus, die der Kultur des Habens, sind die die Welt beherrschenden. Deswegen sprechen wir vom internationalen Kapitalismus und wir bestehen auf diesem Konzept, denn das, was wir unter Subversion verstehen könnten, muss aus zwei Perspektiven analysiert werden: einer ersten, die unbemerkt abläuft, und das ist der Reproduktionsprozess der Werte des Systems durch die sogenannte Kulturindustrie, die ein Ideengebäude um die Kultur des Habens schafft und reproduziert. Die Gesellschafts- und die Herz- und Schmerzseiten der Regenbogenpresse und des Fernsehens z.B. erfüllen eine ideologische Funktion: die Millionäre (Unternehmer, Adelige, reiche Künstler etc.) als gesellschaftliche Helden darzustellen. Dieses Ideengebäude wird immer wieder neu aufbereitet. Wir sprechen von einer Bildkonstruktion, die überall hinkommt, viele Orte erreicht und großen Einfluss auf die Leute ausübt. Das ist, was ich als Reproduktion der Werte des Kapitalismus bezeichne, des kapitalistischen Ideengebäudes: Hollywood, Grammy-Preise, NBA – dieses ganze Gerüst reproduziert das Kriterium der Haben-Kultur durch das System der Stars, bei denen vor allem das Geld hervorgehoben wird, das sie besitzen, und nicht ihre wesenhaften Qualitäten. Das ist ein System, das sich dem Markt unterordnet und durch ihn Ideologie produziert. All das kommt nach Kuba, es befindet sich im kubanischen Fernsehen, in den medialen Unterhaltungspaketen, die in Umlauf sind, es ist im Internet, aber all dies wird nicht allein für Kuba gemacht, sondern eher dafür, dass es keine anderen Kubas mehr geben soll.
Eine zweite Perspektive, die wir gewöhnlich als Subversionskonzept betrachten, ist moralisch gesehen schlimmer: Es ist das, was wir als "programmierte Intervention" bezeichnen können. Dies ist keine bloße Reproduktion kapitalistischer Werte, sondern eine Intervention, für die Millionen von Dollar eingesetzt werden, vor allem, um ein bereits etabliertes System wie das unsrige in einem konkreten Land zu stürzen. Dies geschieht durch Gewährung von Stipendien, das Säen von Misstrauen oder Enttäuschung, durch Spaltung, durch Programme, die verdummen, weil der Kapitalismus Bilder, Illusionen verkauft, aber niemals Erklärungen; er weicht ihnen aus, er arbeitet bequem mit dem funktionalen Analphabetismus. Der Sozialismus jedoch braucht Menschen, die studieren, sich vorbereiten, die zu unterscheiden wissen, einen kritischen Blick für alles entwickeln.
Die programmierte Intervention hat letztendlich den Sturz des sozialistischen Systems, nicht nur einen einfachen Regierungswechsel, zum Ziel, denn der Kapitalismus erkennt nicht die Möglichkeit an, dass eine andere soziale Organisationsform als die kapitalistische existiert; als die, die auf der Kultur des Habens basiert. In diesem Sinne haben wir eine Stärke und die besteht in dem Erbe des Werkes von José Martí. Wie verbindet sich dieses Werk mit der heutigen Realität, mit unserem Bestreben, einen alternativen Weg zum Kapitalismus aufzubauen? An erster Stelle steht die Definition der politischen Praxis Martís: „Mit den Armen der Erde will ich mein Los teilen“. Martí optierte für die ganz einfachen Menschen und dies ist eine Revolution mit den einfachen Menschen durch die einfachen Menschen und für die einfachen Menschen. Den Marxismus kann man nur als Instrument im Dienst der einfachen Menschen verstehen. Um Revolutionär zu sein, müssen wir uns den Armen der Erde absolut verpflichtet fühlen, nicht nur in Reden, sondern durch die politische Aktion. Eine Person, die nie für die soziale Gerechtigkeit gekämpft hat, die nie auf aktive Weise am politischen und sozialen Leben des Landes teilgenommen hat, die ist weder, was den Marxismus angeht, noch was Martí angeht, konsequent und kann nicht als revolutionär betrachtet werden. An zweiter stelle steht Martí für die Kultur des Seins gegen die Kultur des Habens. Er ist der Mann, der den berühmten Brief an Maria Mantilla geschrieben hat, in dem es heißt, dass die Schönheit eines menschlichen Wesens nicht in dem liegt, was es nach außen trägt, sondern was es im Innern hat. Martí ist auch dadurch mit dem sozialistischen Projekt verknüpft. Man muss Martí nicht in einen Marxisten verwandeln, der er nicht war, in einen Verteidiger des Sozialismus, wie wir ihn heute verstehen. Aber seine Wahrnehmung der Kultur des Seins ist die Basis des antikapitalistischen Ideengebäudes. Und das Sein im Sozialismus soll gemäß seinem Beitrag erhalten, gemäß seinem Nutzen für die Allgemeinheit, denn es geht nicht darum, dass wir das Haben ablehnen, sondern darum, was wir in die Gleichung einbringen. Sie macht das aus, was man ist, und nicht, was man hat. Martí sprach vom Nutzen der Tugend, er verwendete den Begriff Nutzen, der im bürgerlichen Denken so hoch geschätzt wird, auf der ethischen Ebene der Tugend. Ich könnte andere Facetten des martíanischen Denkens hinzufügen, die uns heute begleiten, wie sein Antiimperialismus und seine Wahrnehmung der notwendigen lateinamerikanischen Einheit. Seine Idee der Einheit in der Verschiedenheit der Quellen und Wurzeln, des Indigenen, des Afrikanischen, des Europäischen. Seine Forderung an uns, kreativ zu sein. Dies ist ein komplexer Krieg, unsere kulturelle Tradition, die sich aus Martí nährt und die uns zur Revolution geführt hat.
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Enrique Ubieta Gómez
(Entnommen aus Juventud Rebelde)
Granma Internacional, 15.02.2015