Seit über 50 Jahren sind kubanische Ärzte rund um den Erdball im Einsatz.
2014, Ebola-Epidemie in Westafrika. Für eine kurze Zeit erfuhr Kuba
in den Medien für seine solidarische Hilfe große Anerkennung. Es war
das erste Land, das dem Aufruf der Weltgesundheitsorganisation
(WHO) sofort folgte und Unterstützung im Kampf gegen die Epidemie
anbot. 461 kubanische Mediziner waren in Westafrika im Einsatz. Die
Länder der Bolivarischen Allianz für die Völker Unseres Amerika (ALBA)
vereinbarten außerdem ein gemeinsames Handlungskonzept für
den Kampf gegen Ebola. In dieses Konzept wurden über die CELAC
(Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten) alle
Länder der Region einbezogen.
Zwischen den Zeilen der Medienberichte aber las man immer wieder
Verwunderung darüber heraus, wie ein kleines und nicht gerade
reiches Land solch eine Hilfe leisten kann.
Kubas Internationalismus im Bereich Medizin hat eine lange Tradition. Im Revolutionsjahr 1959 verfügte Kuba gerade einmal über
3000 Ärzte; viele hatten das Land in Richtung USA verlassen. Trotzdem
schickte Kuba schon 1960 die erste Ärzte-Delegation nach Chile,
das von schweren Erdbeben erschüttert worden war. Kuba leistete
diese Hilfe, obwohl die politischen Beziehungen zwischen beiden Ländern
angespannt waren.
Ab 1963 arbeitete eine große Delegation kubanischer Ärzte in
Algerien, um dem Land nach dem Erringen der Unabhängigkeit von
Frankreich zu helfen, ein nationales Gesundheitssystem aufzubauen.
Unterstützt durch die sozialistischen Staaten entwickelte Kuba in den
70er Jahren ein umfangreiches Programm der medizinischen Zusammenarbeit
mit vielen Staaten Afrikas. Über 76000 kubanische Mediziner waren seit 1959 in 39 Ländern dieses Kontinents im Einsatz –
weltweit waren es mehr als 325000. Gegenwärtig befinden sich rund
50000 medizinische Fachkräfte aus Kuba in 65 Ländern im Einsatz.
Eine wertvolle Hilfe leistet Kuba bei der Ausbildung von medizinischem
Personal in vielen Ecken der Welt. In 15 Ländern üben kubanische
Ärzte Lehrämter aus, besonders zahlreich in Venezuela. Kuba
hat mehrfach bei der Gründung medizinischer Schulen geholfen, so
zum Beispiel in Jemen 1976, Guyana 1984, Äthiopien 1984, Uganda
1986, Ghana 1991, Gambia 2000, Äquatorialguinea 2000, Haiti 2001,
Guinea-Bissau 2004 und in Osttimor 2005.
Ein besonderes Kapitel des kubanischen Internationalismus ist
die Hilfe nach dem Unfall im Kernkraftwerk Tschernobyl 1986. Rund
26000 Personen – 19000 davon Kinder unter 14 Jahren – hat Kuba
ab 1990 in medizinischen Einrichtungen auf der Insel betreut. Die
kleinen Patienten blieben 45 Tage in Kuba und wurden während
dieser Zeit in verschiedenen Spezialkliniken behandelt. Welch große
Leistung Kuba für diese Kinder erbracht hat, wird deutlich, wenn man
bedenkt, dass mit dem Beginn der 90er Jahre die Hilfe aus den sozialistischen
Ländern wegbrach. Kuba stürzte in eine schwere ökonomische Krise. Hinzu kam, dass die USA 1992 und 1996 die Blockade
gegen Kuba auf Drittstaaten ausweitete (Torricelli-Gesetz 1992,
Helms-Burton-Gesetz 1996).
Diese Blockade – sie kann nicht von Obama allein, sondern nur
durch den US-Kongress aufgehoben werden – existiert bis heute und
hat natürlich auch negative Auswirkungen auf das kubanische Gesundheitssystem.
Desweiteren läuft unvermindert ein Programm der
USA mit dem Namen "Cuban Medical Professional Parole", mit dem
kubanische Ärzte, die in einem Auslandseinsatz arbeiten, zur Emigration in die USA bewogen werden sollen.
Das sozialistische Kuba hat trotz der schwierigen Zeit der 90er
Jahre, trotz US-Blockade und trotz des "Gemeinsamen Standpunktes"
der EU seine medizinische Hilfe für andere Länder weitergeführt –
und erweitert.
2005 gründete Kuba die Ärztebrigade "Henry Reeve", die bei Naturkatastrophen
in anderen Ländern medizinische Hilfe leistet. Diese
Brigade war bereits in 12 Einsätzen tätig. Das größte "Henry Reeve"-
Kontingent mit ca. 2250 Beteiligten schickte Kuba 2005 nach einem
schweren Erdbeben nach Pakistan. Wenn nach Naturkatastrophen
internationale Hilfsorganisationen in den Einsatzgebieten ankommen,
treffen sie vor Ort oft auf kubanische Mediziner, die schon seit Jahren
dort arbeiten. So konnten ausländische Helfer z.B. nach dem schweren
Erdbeben in Haiti 2010 auf die medizinische Infrastruktur zurückgreifen, die im Bereich der kubanischen Arztstationen vorhanden war.
Ein "Wunder" vollbringt Kuba seit mehr als zehn Jahren auf dem
Gebiet der Augenheilkunde ("Operación Milagro"): Kubanische Ärzte
haben bei mehr als 2,6 Millionen Patienten in 34 Ländern Augenoperationen durchgeführt und den Patienten so das Sehvermögen
zurückgegeben. Für die Patienten sind diese Operationen kostenfrei.
Meldungen über die internationalistische Hilfe Kubas landen aber
leider zu oft in den Papierkörben der Redaktionsstuben. So berichteten
Mitte September 2014 nur einige linke Medien über die Unterstützung
Kubas für die Menschen in Gaza. Sechs Tonnen Medikamente
und medizinisches Material stellte Kuba zur Verfügung und bot an,
verletzte Palästinenser in Kuba zu behandeln.
Mit den langjährigen Erfahrungen der internationalen Einsätze entwickelte
Kuba 1998 ein neues Konzept: Zusätzlich zu den Auslandsmissionen
sollten Ärzte in Kuba ausgebildet werden, die dann mit
dem Diplom in der Tasche in ihre Herkunftsländer zurückkehren. Im
Februar 1999 – noch vor der offiziellen Eröffnung – begann die Lateinamerikanische
Hochschule für Medizin (ELAM) in Havanna mit
der Ausbildung junger Mediziner aus mehreren Ländern des globalen
Südens. Studium, Unterkunft, Verpflegung sowie die Unterrichtsmaterialien
bezahlt der kubanische Staat. Venezuela ist einige Jahre später dem kubanischen Vorbild gefolgt: Eine Medizinschule nach dem Vorbild
der ELAM gibt es heute auch in Caracas.
Ein Beispiel für den Erfolg der ELAM sind u.a. die über 500 haitianischen
Ärzte, die an der ELAM in Havanna ausgebildet wurden. Sie
helfen heute in ihrem Heimatland mit, ein öffentliches Gesundheitssystem
aufzubauen, das maßgeblich durch Venezuela und Brasilien
finanziert wird.
Mit seiner solidarischen Hilfe für andere Länder hat Kuba auch
Impulse für den lateinamerikanischen Integrationsprozess gegeben.
Aus der Hilfe für Venezuela nach schweren Überschwemmungen im
Jahr 1999 hat sich eine solidarische Zusammenarbeit beider Länder
entwickelt. So wie Venezuela von den Leistungen kubanischer Spezialisten
profitiert, hilft Venezuela Kuba mit seinem Erdölreichtum. Diese
solidarische Zusammenarbeit zwischen zwei Ländern, der Austausch
zum gegenseitigen und gemeinsamen Vorteil ist das Prinzip, nach dem
heute die ALBA-Länder ihre Beziehungen gestalten.
Jörg Rückmann
Cuba Sí - revista, 2015-1