Solidarität statt Freihandel
In dem Staatenbündnis ALBA wächst Lateinamerika seit einem Jahrzehnt auf ökonomischer und politischer Ebene zusammen. Wirtschaftliche Herausforderungen werden breit debattiert.
Dieses Jahr feiert das lateinamerikanische Staatenbündnis ALBA sein zehnjähriges Bestehen. Am 14. Dezember 2004, besiegelten in Havanna der venezolanische Präsident Hugo Chávez und der kubanische Staatschef Fidel Castro per Vertrag die engere Zusammenarbeit der beiden Staaten.
Die Buchstaben bilden das spanische Wort für »Morgenröte«, und der Name verweist so bereits auf die Bedeutung, die ALBA für Lateinamerika hat. Ziel ist die Schaffung einer linken Alternative, um die Abhängigkeit von den imperialistischen Ländern, insbesondere von den Vereinigten Staaten, zu beseitigen. Zu deren neokolonialen Machtbestrebungen war ALBA von Anfang an als Gegenpol gedacht. Chávez stellte die Idee zum ersten Mal 2001 vor, um damit der von den USA geplanten Freihandelszone ALCA etwas entgegenzusetzen. 2006 schloß sich zunächst Bolivien der Allianz an und in den Folgejahren weitere Staaten.
Die Erweiterungen schlugen sich auch in Namensänderungen nieder. Von Chávez und Castro als »Bolivarische Alternative für die Völker Unseres Amerikas« gegründet, wurde der offizielle Name mit dem Beitritt Boliviens und auf seine Initiative hin um den Zusatz »Handelsvertrag der Völker« (TCP) ergänzt. Auf Antrag von Chávez benannte sich die »Alternative« 2009 in »Allianz« um, da der konkret gegen ALCA geführte Kampf seit 2005 gewonnen war. Den Vereinigten Staaten ist das Bündnis aber immer noch ein Dorn im Auge und sie gehen weiter dagegen vor.
Für die Bevölkerung der beteiligten Länder haben der Austausch, der Handel sowie die gegenseitige wirtschaftliche und politische Unterstützung konkrete Verbesserungen bewirkt im Gesundheitssektor, dem Bildungswesen und bei der Lebensmittelversorgung. Mit der Buchwährung SUCRE zeichnet sich eine Perspektive für ein noch stärkeres Zusammenwachsen ab, und auch in andere regionale Bündnisse strahlt ALBA aus.
Gleichzeitig stehen viele ALBA-Länder vor großen ökonomischen Herausforderungen, darunter die Gründerstaaten Kuba und Venezuela. Die sozialistische Insel kämpft seit mehr als 50 Jahren gegen die von den USA verhängte Blockade und versucht mit den Veränderungen in der Wirtschaftspolitik einen eigenen Lösungsweg zu gehen. Gerade durch die diesjährigen Proteste der rechten Opposition in Venezuela, bei denen die vorhandenen ökonomischen Schwierigkeiten ideologisch ausgeschlachtet wurden, ist dort eine breite Debatte über die Wirtschaftsstruktur des Landes und notwendige politische Schritte entstanden. All dies bietet Anlaß, bei der Betrachtung sowohl der Situation in einzelnen ALBA-Ländern als auch der Kooperation innerhalb des Bündnisses einen Schwerpunkt auf wirtschaftliche Aspekte im weitesten Sinne zu legen.
Im Interview erklärt der Generalsekretär von ALBA und Petrocaribe, Bernardo álvarez, die generelle Entwicklung der Organisation und zeigt Perspektiven auf. Die venezolanische Journalistin Modaira Rubio erläutert die laufende Zusammenarbeit zwischen den ALBA-Staaten und berichtet von Erfolgen nach der Einführung der Buchwährung SUCRE. In einer Reportage skizziert Volker Hermsdorf die Auswirkungen der 2011 beschlossenen Leitlinien zur Aktualisierung des Wirtschaftsmodells auf das Leben der Kubaner. Der jW-Autor befaßt sich in einem weiteren Text mit dem Einfluß der USA und mit deren Interessen an ihrem »Hinterhof«. Die vom lateinamerikanischen marxistischen Forschungszentrum CIFO-ALEM veröffentlichte Analyse von Juan C. Villegas zeigt, daß die venezolanische Wirtschaft auf den Einkünften aus der Erdölförderung beruht und inwiefern sich immer noch kapitalistisch ist. Heinz Langer, langjähriger Botschafter der DDR in Kuba, kommentiert die Bedeutung von ALBA für die Entwicklung des sozialistischen Inselstaats – als Haltepunkt und Chance.
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Lena Kreymann
Junge Welt, 23.07.2014