Eine Landwirtschaft mit Zukunft
In Kuba weist ein Pionier des ökologischen Anbaus einen Weg aus der Importabhängigkeit.
Rund 80 Prozent der Lebensmittel werden in Kuba importiert. Das zu ändern, haben sich Menschen aus dem privaten Sektor zur Aufgabe gemacht. Dazu gehört auch Fernando Funes-Monzote. Ein Besuch.
In Caimito, eine halbe Stunde Autofahrt von Havanna entfernt, befindet sich die Finca Marta, das ambitionierte Projekt des unabhängigen Agraringenieurs Fernando R. Funes-Monzote. Der kubanische Boden biete ausreichend Potenzial, um Nahrungsmittel produzieren und die Nahrungssicherheit gewährleisten zu können. Auf der Basis der drei Säulen von Produktion-Forschung-Lehre leistet er seinen Beitrag zur nachhaltigen Landwirtschaft. Er setzt weder auf Reichtum oder Wettbewerb noch auf intensiven landwirtschaftlichen Anbau. Souveränität in der Ernährung und Schonung der Umwelt sind seine Prioritäten und der rationale Umgang mit den Bodenressourcen. »Ich möchte ein System schaffen, das auf bewusster Produktion und verantwortlichem Konsum basiert«, erklärt er uns bei unserem Besuch auf seiner Finca, die er 2012 begann aufzubauen.
Die Landschaft ist steinig und hügelig. Rings um die Finca sieht man Weiden wildwachsender Vegetation, darunter auch der widerstandsfähige Marabú (das Leid aller Landwirte) und die Königspalme (auf dem kubanischen Wappen zum nationalen Symbol erhoben). Sein vom Staat gepachtetes Terrain umfasst etwa acht Hektar Land. Seit einem Dekret aus dem Jahre 2008 gilt, dass die Übergabe des Nutzungsrechtes für den Boden an natürliche Personen kostenlos und unbegrenzt ist. Stolz zeigt Funes-Monzote auf ein grünes Feld, auf dem er jetzt schon über 15 Gemüsesorten und verschiedene Obstsorten anbaut. Fünf Restaurants beliefere er mit seinen Produkten. »Ich habe zuerst mit den Besitzern über die Bedeutung des nachhaltigen, lokalen Anbaus gesprochen, ihnen erklärt, was es bedeutet auf konventionelle Hilfsmittel wie Pestizide zu verzichten. « Zu den Hausspezialitäten zählt der Bienenhonig, acht verschiedene Sorten hat er bisher entwickelt. Jetzt schon ist der Honig des Hombre Verde, wie ihn die Bewohner des naheliegenden Dorfes nennen, zu einer beliebten Süßpeise für seine Freunde geworden.
Viele Ideen hat Funes-Monzote. Bereits für seinen Vater Fernando Funes Aguilar war der ökologische Landbau von Beginn an keine Alternative zum konventionellen Anbau, sondern der einzige »korrekte Weg«. 1999 erhielt Funes Aguilar in Vertretung für die Gruppe für organische Landwirtschaft den »Right Livelihood Award«, auch als »Alternativer Nobelpreis« bekannt, für deren Verdienste in Kuba seit den 1990er Jahren.
Seinen auf Biodiversität beruhendem Anbau möchte Funes jr. Durch eine kleine Milchwirtschaft ergänzen. Sich parallel dazu eine Biogasanlage anschaffen. Zur Selbstversorgung, fährt er fort, gehöre schließlich auch die Speicherung der Sonnenenergie durch zwei Solarzellen. Eine Zisterne für die Speicherung des Regenwassers baut er gerade auf. Eine Unterwasserpumpe, die das Wasser aus einem 14 Meter tiefen Brunnen herauspumpen wird, ist schon installiert.
Doch wie kann er das alles finanzieren? Wohl nicht über seine Einkünfte als Dozent an der Universität in Matanzas. Vorwiegend seien es die unzähligen Vorträge und Seminare, zu denen er von ausländischen Universitäten, Institutionen und Organisationen eingeladen werde, und seine Tätigkeit bei der Welternährungsorganisation FAO in Havanna. Ohne die Honorare in ausländischer Währung könnte er sich weder das Material für den Landbau noch den Umbau seines zukünftigen Landhauses leisten. »Die Solaranlage stiftete mir das Unternehmen I.B.U. Projekt aus Mecklenburg-Vorpommern, das hier in Kuba Projekte leitet. Die kubanische NRO Cubasolar, die seit ihrer Gründung 1994 die Quellen erneuerbarer Energie im Land fördert, ermöglichte den Import und den Transport.«
Auch der persönliche Einsatz seiner Familie trägt bis heute entscheidend zum Gedeihen des Hofes bei. »Der Aufbau der Finca Marta bestimmt das Leben meiner Familie.« Vergangenen Februar referierte er im Rahmen der Konferenz »Landwirtschaftlicher Familienbetrieb« (FAO, PMA) in Havanna über deren Vorteile. Schließlich könne er neben ökologischen Aspekten auch »die ungleichen Beziehungen zwischen Stadt und Land reduzieren.«
In seiner Rolle als Forscher und Lehrer kombiniert Funes-Monzote, der 1971 in Havanna geboren ist, die produktive Facette mit der Lehre. »Ich habe vor einiger Zeit begonnen, praktische Seminare auf meinem Gut anzubieten, für kubanische Studenten wie auch für ausländische Interessierte. Oft entwickelt sich dabei ein Austausch.« Der Dialog ist ihm sehr wichtig. Aus diesem Grund sei es ebenfalls notwendig, ein Netzwerk zwischen den lokalen Bauern und Kooperativen auf dem Land aufzubauen. Daran schliet sich die Idee eines Agrotourismus an. Dieser soll die lokalen Bauern der Region begünstigen und einen neuen Umgang mit der kubanischen Natur hervorbringen. Die konzeptuelle Idee der Finca Marta, die Bereiche Produktion-Forschung-Lehre zu verbinden, ist für die Region notwendig, die von der Jahrhunderte langen extensiven Monokultur sowohl seitens der Kapitalisten als auch der Sozialisten gezeichnet ist. Es sei an der Zeit, eine Landwirtschaft zu schaffen, die Verantwortlichkeit beim Markt als auch beim Konsumenten bewirkt.
Noch immer gibt es Hindernisse bei der Kommerzialisierung und beim Gang zu den Behörden. Aber das Ambiente für eine Veränderung, das die Kreativität begünstigt, ist geschaffen. »Das bedeutet keineswegs«, so Funes-Monzote, », dass der Staat als regulatives Organ aufhören, sollte zu funktionieren, vor allem in dem wichtigen Sektor, wie es die Landwirtschaft ist. In welchem Land auch immer.«
Die Finca Marta ist ein Glied mehr in der Kette, die diese Mentalität hin zu einer der Umwelt freundschaftlich gesinnten Landwirtschaft fördert. Über die ganze Insel verteilt bestehen andere ähnliche Projekte, die einen Schlüsselfaktor darstellen und eine Hoffnung sind für ein Gleichgewicht in der kubanischen Landwirtschaft.
Ute Evers
Neues Deutschland, 20.05.2014