Havanna reagiert reserviert auf EU-Offerte
Kuba treibt seit Jahren bilaterale Beziehungen zu gutwilligen Ländern voran und bleibt gegenüber Brüssel kühl
Die Gesprächsofferte aus Brüssel ist in Havanna angekommen. Nun wird sie sorgfältig geprüft. Schon jetzt unterhält Kuba mit 15 EU-Staaten Kontakte. Ein Abkommen mit der EU müsste Vorteile bringen.
Die kubanische Regierung hat freundlich, aber verhalten auf das Angebot der Europäischen Union reagiert, über ein zweiseitiges Kooperationsabkommen zu verhandeln. Vor Wochenfrist hatten die Außenminister der EU-Staaten grünes Licht für Gespräche mit der Regierung in Havanna gegeben. Entsprechende Planungen laufen bereits seit 2008. Mit den nun anvisierten Gesprächen versucht die EU-Führung, einen Kompromiss zwischen wenigen antikubanischen Kräften und der Mehrheit der Staaten zu finden, die eine Annäherung an Havanna anstreben oder zumindest billigen.
»Kuba wird die Einladung der europäischen Seite respektvoll, konstruktiv und gemäß seiner Souveränität und seinen nationalen Interessen prüfen«, heißt es in einer Erklärung, die von Vizeaußenminister Rogelio Sierra unterzeichnet wurde. Die bisherigen Gespräche seien »auf Basis des Prinzips der Nichteinmischung« geführt worden, erinnert er in dem kurzen Text. Man werde den Dialog ergebnisoffen führen, versicherte im Gespräch mit »nd« indes ein hochrangiger kubanischer Diplomat in Havanna. Allerdings sei der kubanischen Seite klar, dass die EU nur begrenzt handlungsfähig ist. Das weiß man in Kuba seit Jahren.
Mit mehr als der Hälfte der EU-Staaten - vor allem den südeuropäischen - hat die sozialistische Regierung inzwischen bilaterale Verträge unterzeichnet. Diese Paralleldiplomatie hat Kubas Beziehungen in Europa ständig gestärkt und die Widersprüche zwischen den EU-Staaten zugleich offener zutage treten lassen. Auch ohne ein Abkommen ist die Gruppe der kooperationsbereiten EU-Staaten mit einem Anteil von 21 Prozent am Gesamtumsatz zum zweitwichtigsten Außenhandelsblock Kubas aufgestiegen. 2008 flossen 2,5 Milliarden Euro. Wichtiger ist für Kuba nur der Handel mit Venezuela.
Trotz der verhaltenen Reaktion aus Havanna stellt das Brüsseler Verhandlungsangebot den größten Fortschritt seit der diplomatischen Krise 2003 dar. Damals hatte die EU nach der Verhaftung von 75 US-finanzierten Aktivisten die Kontakte mit Havanna abgebrochen. Kuba reagierte mit einem Stopp gemeinsamer Projekte und Vorhaben. Seitdem lagen die Beziehungen auf Eis.
Belastet waren sie ohnehin schon seit 1996, als die rechte spanische Regierung unter Ministerpräsident José María Aznar in Abstimmung mit Washington einen sogenannten Gemeinsamen Standpunkt der EU gegenüber Kuba durchgesetzt hatte, der einen Systemwechsel fordert. Dieser »Standpunkt« ist inzwischen heftig umstritten, kann aber nur im Konsens abgeschafft werden, was wiederum eine Minderheit von EU-Staaten - unter ihnen Deutschland – verhindert.
Das EU-Gesprächsangebot an Kuba ist für die rechten Kräfte daher eine Niederlage. Bis zuletzt hatten Deutschland, Polen und Tschechien darauf bestanden, eine sogenannte Suspendierungsklausel zu formulieren. Demnach können die Gespräche jederzeit unterbrochen werden, wenn aus der Sicht der EU in Kuba Menschenrechte verletzt werden. Der Passus wurde in ein Begleitdokument verbannt, im Haupttext, der »nd« vorliegt, findet sich die Klausel nur in einer indirekten Formulierung wieder. Trotz der Sabotagemanöver aus Berlin, Warschau und Prag können die Gespräche also aufgenommen werden. Die Verantwortlichen im Europäischen Auswärtigen Dienst setzten offenbar darauf, dass sich die antikubanische Minderheit mit fortschreitenden Gesprächen selbst weiter in die Isolation manövriert. Die Zeichen dafür stehen nicht schlecht.
Harald Neuber, Havanna
Neues Deutschland, 17.02.2014