Alternative Präsenz
Vor zehn Jahren organisierten Aktivisten verschiedener Kuba-Solidaritätsgruppen und engagierte Kleinverlage – als Antwort auf einen Boykott der »13. Internationalen Buchmesse 2004« durch die rot-grüne Bundesregierung – eine alternative Vorstellung deutscher Publikationen in Havanna.
Wegen angeblicher »Verschlechterung der Menschenrechte« auf der sozialistischen Karibikinsel hatte Berlin eine bereits angenommene Einladung als Ehrengastland zur größten Literaturveranstaltung in der Region später wieder ausgeschlagen. Selbst die konservative Frankfurter Allgemeine Zeitung kritisierte damals: »Mit der preiswerten Kuba-Sanktion hat (Bundeskanzler) Schröder beim amerikanischen Präsidenten verlorene Sympathien zurückgewonnen. An diesem Schritt gibt es nichts zu bewundern. Eben deshalb verdient die Aktion der Tageszeitung junge Welt und mehrerer deutscher Verlage, Deutschland in Kuba zu repräsentieren, einigen Respekt. «
Tatsächlich wurde die Anbiederung von SPD und Grünen beim Kuba-Gegner George W. Bush zum Bumerang. Unmittelbar nach dem Kulturboykott gründeten engagierte Verlage, Zeitungen, Gewerkschafter und Solidaritätsorganisationen in Berlin das »Büro Buchmesse Havanna«, das die Präsenz der Bundesrepublik auf der Buchmesse in Havanna garantierte. Zu den Initiatoren gehörten Cuba Sí, der Verlag 8. Mai und junge Welt. In den Folgejahren beteiligten sich jeweils bis zu 60 Verlage mit ihren Produkten. Ihr Auftritt war damit größer und wurde vom kubanischen und internationalen Publikum stärker beachtet, als die zuvor von der »Frankfurter Buchmesse« organisierte offizielle Landesschau der BRD. Die FAZ schrieb vor zehn Jahren anerkennend: »Die literarischen Großverlage haben sich desinteressiert abgewandt, während kleine, die unter gewöhnlichen Umständen niemals nach Havanna gekommen wären, die hohen Kosten für Organisation und Transport fast allein gestemmt haben.«
Der gescheiterte Boykott wurde einige Jahre später denn auch kleinlaut beendet. Seit 2008 darf sich die »Frankfurter Buchmesse« im Auftrag des Auswärtigen Amtes wieder offiziell an dem Literaturfestival in Kuba beteiligen, obwohl sich die feindselige Politik der Bundesregierung gegenüber dem ersten sozialistischen Staat Amerikas kaum verändert hat. Das Interesse der Besucher an alternativer Präsenz, die weiter aufrechterhalten wird, ist deswegen nach wie vor groß.
|
(vh)
Junge Welt, 13.02.2014